Ein Gastbeitrag von Max Thinius, Sprecher FORUM Lebensmittel und Netzwerk Nachhaltigkeit im bevh
Mitte September ging es durch die internationale Presse: Paris wird autofrei! Der gesamte Innenstadtbereich. Und das bis 2024 zum Start der Olympischen Spiele. Unter anderem sollen autonome Elektrofahrzeuge im Innenstadtbereich den Individualverkehr regeln.
Paris, ohnehin in seiner Struktur nie für Autos gebaut, geht damit noch einen Schritt weiter, als derzeit schon Kopenhagen. Sogar der “berüchtigte” Pariser Autobahnring soll in Teilen begrünt und zu einem Erholungsring umgebaut werden. Dahinter liegende Außenbezirke werden in neuer Form in die Stadtplanung integriert. Das sind große Vorhaben, die hier aber nur einen kleinen Ausblick geben, auf dass was uns alle in den nächsten Jahren erwartet. Auch in Berlin, Hannover, Köln, Frankfurt, Hamburg, München, Mannheim … kreuz und Quer durch alle Städte.
E-Mobility – der langsame Abschied „vom Auto“, wie wir es kannten. Gleichzeitig ein großer Schritt in Richtung neuer urbaner und soziokultureller Strukturen. Und: auch ein Umbruch in unserem alltäglichen handeln und „Handel“.
Neue Infrastrukturen und Verkehrsströme durch neue Mobilitätskonzepte
Viele Menschen werden mit ihrem E-Auto abends nach Hause kommen und es an die Ladestation anschließen. Hierfür wird eine neue Infrastruktur geschaffen. Das heißt aber auch: zunehmend entfällt der Halt oder der Weg zur Tankstelle. Das kann Auswirkungen auf das Einkaufsverhalten haben. Denn einmal zu Hause sein und nicht mehr „tanken“ zu müssen, kann in vielen Fällen dazu führen, dass man bestimmte Produkte nicht mehr „einkaufen“ fährt. Diese könnten zunehmend online bestellt werden. Vor allem auch, wenn sich Innenstädte, siehe am Beispiel Paris oder Kopenhagen, zunehmend wieder auf die Lebensqualität des Menschen statt auf die mobile Infrastruktur ausrichten.
Hier werden in den Innenstädten „Schnellstraßen“ für Fahrräder und spezielle Wege für Lieferdienste eingerichtet. Erste Shopkonzepte gibt es bereits im Innenstadtbereich in Kopenhagen, dort kann man Waren zwar kaufen, aber gar nicht erst mitnehmen. Vielmehr steht die Idee im Fokus unbeschwert durch die Innenstadt zu laufen und Waren dann später zu einem definierten Ort geliefert zu bekommen. Das ist natürlich zum Einen die Wohnadresse, kann zunehmend aber auch ein Hotel, ein Café oder per ortsabhängigem Tracking jeder Ort sein, wo der Konsument sich aufhält. Natürlich eignet sich auch hervorragend der Kofferraum eines Autos, das während des Ladevorganges auf einem Parkplatz vor der Stadt geparkt steht.
Automobile als Teil der Logistikkette im innerstädtischen, wie im Fernverkehr
Auf der anderen Seite wird es Ladestationen an Fernstraßen geben. Hier könnten sich neue Nahversorgungszentren bilden, so dass die Ladezeit genutzt wird, um zum Beispiel Arzt- oder Friseurbesuche sowie kleine Einkäufe zu tätigen. Eher kleine, da für Großeinkäufe zu wenig Zeit ist. Auch hier ist der Kofferraum eine gute Möglichkeit zur Belieferung. Denn mit dem Start des Ladevorganges und einer definierten Zeit bis zur Zielladung können logistische Konzepte ideal eingebunden werden. Natürlich wird es hierzu auch andere Logistikstandorte zur Verteilung brauchen. Diese könnten beispielsweise in der Nähe dieser neuen Nahversorgungszentren stehen und über das Tracking der Wege des Konsumenten, entsprechend vorausschauend befüllt werden.
Auch am Arbeitsplatz bieten sich Ladestationen an und Produkte könnten in den Kofferraum geliefert werden, die man in der Mittagspause kurz online eingekauft hat: Lebensmittel, Mode, Picknick fürs Wochenende, alles ist möglich. Die meisten E-Mobility Fahrzeuge werden solche Funktionen serienmäßig bieten, genauso wie Ortungsfunktionen die temporär, zum Beispiel für Logistikdienstleister (oder auch automobilen Service), freigegeben werden können. Damit müsste man theoretisch noch nicht einmal mehr einen Namen und die Adresse angeben und bekäme seine Waren geliefert.
Der Handel wird sich durch E-Mobility neuen interaktiven Möglichkeiten gegenübersehen
Automobile werden, vor allem durch die zunehmende Autonomität, zukünftig auch Arbeitsplatz, ein Ort für familiäre Freizeit, Teil des Wohnraumes, aber auch Shoppingmall, sein. Das mit dem autonomen Fahren wird noch ein wenig dauern. Auf kurzen Strecken im Stadtverkehr oder zum Beispiel im Stau, kann das aber bereits schnell umgesetzt werden. Auch wird es künftig größere Bildschirme in Automobilen geben, Tesla macht es vor.
Aber auch in einer Verbindung, von Innen nach Außen, werden Autos zu Shoppingassistenten. Möglich ist heute zum Beispiel schon, auf Autoscheiben bestimmte Segmente leicht hell hervor zu heben. Das wurde von den Entwicklern eigentlich als Sicherheitsfeature gedacht. Dort wo Gefahrensituationen auftreten können, wird die Scheibe bereits im Vorfeld leicht heller und der Blick wird gelenkt. Natürlich kann diese Technik aber auch von der Werbeindustrie eingesetzt werden. Zum Beispiel könnten über die Social-Media-Profile Vorlieben der fahrenden Personen abgerufen werden. Tauchen jetzt interessante Punkte an der Strecke auf, könnte der Blick mit dieser Technologie auch hierauf gelenkt werden. Ob das kommen wird, wissen wir nicht. Aber möglich ist es und läuft bereits im Test.
Automobile werden nicht nur elektrisch, sie werden smart. Und sie werden durch neue Technologien zunehmend anders genutzt und fahren andere Wege. Umgestaltungen in den Innenstädten, die zu mehr Lebensqualität für Menschen führen, werden dem entgegen kommen. Wenn der Individualverkehr sich in solchem Maße ändert, ändert sich auch der Handel, der einen ähnlich alltäglichen Stand in unserem Alltag hat und somit direkt verbunden ist. Dabei geht es zukünftig nicht mehr um On- und Offlinehandel. Das ist “altes” Denken. Der „neue“ Handel wird sich dem Konsumenten zunehmend mobil präsentieren sowie sich an seinem Ort und seinem Bedarf ausrichten. Bestimmte Produkte wird man in einigen Situationen gerne sofort mitnehmen, in anderen Situationen lieber automatisch geliefert bekommen. Der “Seamless Commerce” wird sich durchsetzen. Durch E-Mobility und die damit verbundenen infrastrukturellen Änderungen wird dieser Prozess in den nächsten zwei Jahren erheblich beschleunigt - zu Gunsten von neuen flexiblen Konzepten.