verfasst von Martin Gross-Albenhausen
Auf dem Zalando Capital Markets Day hat der Mode-Händler seine Logistik-Pläne vorgestellt und dabei eine interessante Grafik darüber präsentiert, wie das Erlebnis von Same Day-Lieferung das Bestellverhalten der Kunden beeinflusst. Den Begriff Erlebnis nutze ich hier bewusst, weil Zalando die Kunden mit der Lieferung am gleichen Tag überrascht („silent upgrade"). Es ist derzeit keine bestellfähige Mehrwertleistung.
Die nachfolgende Grafik aus der Präsentation zeigt die Wirkung auf die Bestellhäufigkeit. Der Zeitraum zwischen der ursprünglichen und der darauf folgenden Order sinkt um 41 %. Anders ausgedrückt: Kunden bestellen rascher und damit häufiger als eine Kontrollgruppe, deren Lieferung im Standard erfolgt. Vorausgesetzt natürlich, dass die Kontrollgruppe identisch gebildet wurde – also nicht etwa SDD gezielt bei solchen Kunden eingesetzt wird, die ohnehin besonders gute Bestellwerte aufweisen, und dies mit allen Bestellern verglichen wird.
Die Grafik ist deshalb spannend, weil sie SDD in den Kontext der Kundenwert-Entwicklung stellt. Die Bestellfrequenz und das Letzkauf-Datum sind zwei der wichtigsten Kennzahlen im Distanzhandel: Es sind die Faktoren „recency“ und „frequency“ im RFM-Modell. Ein Kunde ist um so wertvoller, je öfter er kauft und je kürzer der letzte Kauf zurückliegt. Bei der Allokation von Werbebudget kann man mehr Geld in solche Segmente investieren, die aufgrund ihres besseren RFM-Scores eine höhere Kaufwahrscheinlichkeit aufweisen.
(Wie wichtig RFM auch und gerade in E-Commerce-Zeiten ist, hat jüngst Florian Heinemann wieder unterstrichen. Das frühe Investment von Project A Ventures in "Wine in Black" beruhte fundamental auf den hohen R- und F-Werten des Weinhandels-Startups, wie Heinemann im Interview mit dem Handelsblatt erläuterte.)
So weit, so gut. Wenn der Effekt der SDD auf diesen Kundenwert nachweislich ist, kann ich das Prinzip umkehren. Sprich: Ich kann gezielt solche Kunden taggleich beliefern, deren Kundenwert sich zu verschlechtern droht, oder die aufgrund ihrer bisherigen Bestellungen im Vergleich mit anderen ein höheres Potential aufzeigen. Wenn ihre Response auf die weiteren Werbeimpulse sich dadurch verbessert, kann der Ertrag der Folgebestellungen die kumulierten Kosten für Logistik und Werbung überkompensieren.
Interessant ist das zweite Chart. Dieses zeigt, dass die Kosten für SDD ab einer bestimmten Häufigkeit deutlich sinken. Auch das ist spannend, denn der „Werbeinvest“ reduziert sich deutlich. Ein Rabattgutschein in vergleichbarer Höhe treibt den einmaligen Kauf, erzeugt jedoch häufig keine Verbesserung des „Frequency“-Scores – eher das Gegenteil, wenn man dadurch typische Coupon-Kohorten heranzüchtet. Ein SDD-Bonus ist an das Unternehmen selbst geknüpft und wirkt anders.
Übrigens: Wer als Amazon Prime-Kunde in den Genuß von kostenloser taggleicher Lieferung gekommen ist, wird bemerkt haben, dass jeweils im Warenkorb ein 15 Euro-Gutschein die Mehrkosten für SDD ausgleicht. Amazon rechnet also vergleichbar die Logistikaufwendungen als Marketing-Investitionen. Schon der Wegfall der Lieferkosten erzeugt bei vielen einen Lock-in-Effekt. Den Effekt auf die Kauffrequenz auf Marktplätzen kann man messen – ich habe 2014 bereits darüber schon geschrieben.
Wenn man sich zurückerinnert, waren es im Fall von Zalando auch früher Logistikfaktoren, die gegenüber dem Kunden als Vorteile ausgelobt wurden – und bei Wettbewerbern zunächst ungläubiges Staunen hervorgerufen haben. Kostenlose Lieferung? 100 Tage Umtausch bei kostenloser Retoure? Same Day Delivery? Logistikleistung als Werbeargument ist wirklich keine Neuigkeit. Aber ohne Verständnis dafür wie Veränderungen im Kundenverhalten im E-Commerce gezielt zur Wertentwicklung genutzt werden können, erscheinen viele Investitionen als (kurzfristige) Verlustbringer.
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