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Regierungsentwurf zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen ist verfassungswidrig

Der Regierungsentwurf des „Gesetzes zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ ist in der jetzigen Form verfassungswidrig. Zu diesem Ergebnis kommt das durch den Bundesverband E-Commerce und Versandhandel e.V. (bevh) in Auftrag gegebene Gutachten des renommierten Steuerrechtsexperten Prof. Dr. Ulrich Hufeld, welches heute veröffentlicht wurde.

Das Gutachten stellt klar, dass der Gesetzgeber selbstverständlich die Berechtigung besitzt, im Onlinehandel Vorsorge zur Sicherstellung der Umsatzbesteuerung zu treffen. Dabei darf er auch Marktplätze mit einbeziehen. Dies ist auch in Teilen mit dem Regierungsentwurf gelungen. Der Entwurf missachtet allerdings verfassungsmäßige Grund-sätze des Steuerverfahrensrechts. Der Gesetzgeber hat sich auch nicht mit der Frage von Entschädigungsleistungen auseinandergesetzt, was aber dringend geboten wäre.

„Wir haben uns immer dafür eingesetzt, dass Wettbewerbsgleichheit besteht und alle Unternehmer die Umsatzsteuer abführen“, betont Christoph Wenk-Fischer, Hauptgeschäftsführer des bevh. „Die Zielrichtung des Gesetzgebers, Umsatzsteuerausfälle im internationalen Marktplatzgeschäft zu verhindern, ist schon aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit absolut richtig. Aber nicht so! Es kann nicht sein, dass der Staat sich komplett aus seiner Verantwortung verabschiedet.“

Das Gutachten zeigt auch Möglichkeiten auf, inwieweit eine verhältnismäßige und damit verfassungsrechtlich zulässige Zielerreichung gelingen könnte. Der bevh unterbreitet auf dieser Grundlage folgende Vorschläge

  • Als Alternative zu dem geplanten Vorhaben wäre grundsätzlich auch ein sogenanntes Split Payment-Verfahren, das heißt eine Aufteilung der Zahlungen in den Nettoanteil an den Händler und die Umsatzsteuer an den Fiskus, denkbar.
     
  • Vor der „großen Keule“, der generellen gesetzlichen Verpflichtung, wäre ein weniger einschneidendes Verfahren wie etwa ein geregelter Informationsaustausch zwischen Finanzbehörden und Betreibern sowie darauf gestützte „Anordnungen“ denkbar. Solche behördliche Anordnung würde gewährleisten, dass die Marktzugangsregulierung ein öffentlich-rechtlicher und mit den dafür vorgesehen rechtlichen Möglichkeiten angreifbarer Rechtsakt bleibt.
     
  • Rechtsstaatlich ist es geboten, eine solche intensive Inanspruchnahme Dritter für staatliche Aufgaben daran zu knüpfen, dass diese nicht entschädigungslos erfolgt. Dieser anerkannte Grundsatz findet sich zum Beispiel in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 23 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes und sollte auch für den hier geplanten staatlichen Eingriff in das Privateigentum Dritter festgelegt werden.
     
  • Statt einer unverhältnismäßigen, weil allumfassenden Verpflichtung zur Überwachung aller Marktplatzteilnehmer, sei es gewerblich oder privat, empfiehlt sich die gesetzliche Festlegung und Bezifferung einer auf die eigene Plattform bezogenen Bobachtungsschwelle. Einen im Effekt vergleichbaren Schwellenwert kennt das Umsatzsteuerrecht schon, zum Beispiel für Umsätze sogenannter Kleinunternehmer (§ 19 Abs. 1 Satz 1 UStG: grundsätzliche Nichterhebung der Umsatzsteuer bei Umsatz bis 17.500 Euro im vorangegangenen Jahr).
     
  • Auf jeden Fall aber und nicht anders denkbar für das hier betroffene Massengeschäft des digitalen Handels: Die Schaffung einer funktionstüchtigen elektronischen Abfragemöglichkeit für die betroffenen Marktplätze und Plattformen beim zuständigen Bundeszentralamt für Steuern (§ 22f Abs. 1 Satz 6 UStG-E) als Voraussetzung für das und damit zeitlich noch vor dem Inkrafttreten der neuen Verpflichtungen.

Im Vorfeld hatte der bevh schon mehrfach einzelne Punkte des Gesetzesentwurfs kritisiert; besonders, dass es auf absehbare Zeit kein solches elektronisches Verfahren geben wird, obwohl der Entwurf ein solches Verfahren selbst vorsieht. Statt dass der Staat selbst seine „Hausaufgaben“ in Sachen Digitalisierung macht, nimmt er die private Wirtschaft in die Pflicht. Zudem gibt es Unklarheiten: So, welche Dienste überhaupt „elektronische Marktplätze“ sind. Auch bleiben die Marktplätze in der Frage, wann gewerbliches und damit steuerlich relevantes Handeln vorliegt, völlig im Dunkeln, wenn der Gesetzgeber nicht, wie angeregt, Grenzwerte angibt.Auch das Gutachten empfiehlt die Festlegung eines gesetzlichen Grenzwertes. „Dies ist dringend geboten, um das flächendeckende Monitoring der als Privatteilnehmer registrierten Nutzer auf ein verhältnismäßiges Maß zurückzuschneiden“, erläutert Prof. Dr. Ulrich Hufeld, Professor für Öffentliches Recht und Steuerrecht an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg. 

Sein Gutachten finden Sie hier zum Download.

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