Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute eine Grundsatzentscheidung zur Zulässigkeit sogenannter selektiver Vertriebsmodelle gefällt. Das höchste Europäische Gericht hat klargestellt, dass pauschale Beschränkungen, Waren auch über Marktplätze und Plattformen vertreiben zu dürfen, gegen geltendes Recht verstoßen. Zugleich hat der EuGH aufgezeigt, in welchen Fällen ein berechtigtes Interesse von Herstellern und Händlern an einem qualitativ hochwertigen Vertrieb und damit an vertriebswegspezifischen Beschränkungen weiterhin ihre Berechtigung behalten.
Pauschale Plattformverbote sind unzulässig - Ausnahmen bedürfen einer nachprüfbaren Rechtfertigung. In seinem heutigen Urteil macht der Europäische Gerichtshof in erfreulicher Deutlichkeit Schluss mit ungerechtfertigten Verboten, Waren auch auf Marktplätzen und Plattformen vertreiben zu können. Der EuGH räumt ein für alle Mal auf mit dem Generalverdacht, Marktplätze und Plattformen seien Vertriebswege zweiter Klasse. Zugleich erkennt das höchste Europäische Gericht die Möglichkeit von Selektivvertriebsmodellen in bestimmten Fällen an und stärkt mit dieser ausgewogenen Haltung den Markt insgesamt. Soweit objektive Kriterien auf der Hand liegen, behalten hierauf gerichtete Vertriebsbedingungen weiter ihre Berechtigung. „Wenn nach objektiven Maßstäben erstellte echte Qualitätsanforderungen durch einzelne Vertriebskanäle – stationär wie online – nicht erfüllt werden, kann der Selektivvertrieb auch in Zukunft zum Schutz von Hersteller, Fachhandel und Verbraucher eingeschränkt werden. Und das ist gut so“ stellt Gero Furchheim, Präsident des Bundesverband E-Commerce und Versandhandel e.V. (bevh) fest. „Nach dem heutigen Urteil haben es die unterschiedlichen Vertriebsstufen nun mehr denn je selbst in der Hand, über eine qualitativ hochwertige, den Produkten angemessene Präsentation, Vertriebsbeschränkungen überflüssig zu machen“.
Marktplätze und Plattformen gehören heute, sowohl im Onlinehandel zwischen Händlern und Verbrauchern, als auch zwischen Händlern und Firmenkunden, zum Alltag. „Als Infrastruktur sind sie Digitalisierungsbegleiter und ermöglichen gerade auch dem kleinen und mittelständischen Handel den schnellen Einstieg und hohe Skalierungseffekte“, erläutert Christoph Wenk-Fischer, Hauptgeschäftsführer des bevh. „Mit seinem heutigen Urteil unterstreicht der EuGH einmal mehr diese Bedeutung, ohne dabei berechtigte Belange von Marken und Fachhandel aus den Augen zu verlieren.“
Mit den Einzelheiten wird sich nun das Oberlandesgericht zu befassen haben.
Die Branche setzte im Jahr 2016 im Privatkundengeschäft allein mit Waren rund 57,1 Milliarden Euro um. Der Online-Handel mit Waren hatte daran einen Anteil von über 90 Prozent. Mit den guten Geschäftsergebnissen des Jahres 2016 und der ersten 3 Quartale in 2017 erwartet der bevh in diesem Jahr für den Interaktiven Handel insgesamt ein Wachstum von 8 Prozent auf ca. 61,7 Mrd. Euro. Für den E-Commerce-Bereich rechnet der bevh erneut mit einem klar zweistelligen Zuwachs um 11 Prozent auf rund 58,5 Mrd. Euro.