Ein kurzer (Reise)Bericht von Christian Milster
Vor gut zwei Monaten ist das Committee of E-Comerce on China Association of Trade in Services mit der Bitte auf den bevh zugekommen, auf der „World Food & Agricultural Products E-Commerce Conference 2017“ in Weifang (Shandong Province) einen Vortrag zum Thema “E-Commerce in Germany” zu halten.
Dies war die zweite Veranstaltung dieser Art. Bereits die erste Konferenz im Jahr 2016 war sehr erfolgreich und wurde zudem von den chinesischen Medien sehr gut aufgenommen.
Nach kurzer Durchsicht des Programms und der eingeladenen Unternehmen (u.a. JD.com, die National Distance Selling Association Russia, die Mexico Chamber of E-Commerce, die UNIDO – United Nations Industrial Development Organization, die Australian Trade Commission, Yishijia.com u.v.m.) war klar, dass der bevh, als Stimme und Interessenvertreter des interaktiven Handels und E-Commerce in Deutschland, bei dieser Veranstaltung nicht fehlen darf.
Gesagt, getan: Nachdem alle Formalitäten und administrativen Punkte geklärt waren, habe ich mich am Mittwoch den 20.09.17 hochmotiviert und etwas euphorisch, auf den Weg nach China (Weifang) gemacht. Nicht zuletzt, weil von Berlin bis nach China knapp 8.000 km zurückzulegen sind und China gegenüber Deutschland einen zeitlichen Vorsprung von sechs Stunden hat, bin ich (erst) am Vormittag des 21.09.17 zunächst in Peking (Beijing) gelandet. Von dort ging es mit Air China weiter nach Qingdao. Und dann waren es noch einmal gut zwei Stunden mit dem Auto nach Weifang. Klingt anstrengend? War es auch. Aber die Euphorie hatte mich ganz gut im Griff und hat mich wachgehalten.
Nachdem ich im Hotel eingecheckt und mein Zimmer bezogen hatte, wollte ich China sofort live erleben. An diesem ersten Abend habe ich sehr schnell gelernt, dass für Mofa- und Fahrradfahrer nicht dieselben Verkehrsregeln gelten, wie für Autofahrer oder Fußgänger. Das ist zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, funktioniert aber, wenn man es mal verstanden hat. Und das sollte man...
Am Freitagmorgen (mittlerweile der 22.09.17) habe ich mich gleich nach dem Frühstück wieder ins Chinesische Leben gestürzt, denn dies war mein einziger „freier“ Tag in China.
Weifang ist eine sehr moderne und zudem ziemlich westlich anmutende Stadt. Sehr viele Hochhäuser – eher ganze Hochhaussiedlungen, viele breite Straßen und (leider) wenig Ursprüngliches – zumindest auf den ersten Blick. An diesem Freitag bin ich gut 20 km quer durch Weifang gelaufen und habe dabei jedoch vergeblich nach Tempeln, Teehäusern oder kleinen Läden gesucht. Dennoch habe ich viel gesehen und konnte mir einen umfassenden Eindruck von der Stadt verschaffen und habe bestimmt mehrere Hundert Fotos gemacht. Ein paar davon folgen weiter unten.
Weifang ist jedoch nicht nur groß und zudem relativ sauber, sondern auch sehr grün. Das liegt v.a. an den vielen angelegten und sehr gepflegten öffentlichen Parkanlagen. Wenn es einem mal zu heiß wird – und in China ist es Ende September noch ziemlich warm und sehr schwül – kann man einen Abstecher in einen dieser Parks machen und sich im Schatten der Bäume ausruhen und abkühlen.
Die in Weifang lebenden Chinesen sprechen kaum englisch, sind aber dennoch sehr kontaktfreudig und freundlich. Während meines Spaziergangs sind viele Menschen auf mich zugekommen, um entweder ein Foto mit mir zu machen oder um mich zu berühren. Das ist anfänglich ein wenig befremdlich, aber man gewöhnt sich schnell daran.
Am Abend hatten die Organisatoren der Konferenz zu einem gemeinsamen Abendessen mit den anwesenden Speakern geladen. Hierbei hatte ich Gelegenheit, einige der anderen Speaker der Konferenz persönlich kennenzulernen und mich mit diesen auszutauschen.
Das Committee of E-Comerce on China Association of Trade in Services (Organisator) ist nach meinem Kenntnisstand der wichtigste E-Commerce Verband Chinas. Nicht zuletzt aufgrund seiner sehr engen Verbundenheit zur chinesischen Regierung. Daher wurde es beim Speaker’s Dinner auch einmal kurz sehr förmlich: als nämlich zwei hohe Parteifunktionäre eingetroffen sind und sich kurz mit jedem anwesenden Speaker ausgetauscht haben.
Am Samstagmorgen (23.09.17) ging es sehr früh los. Eintreffen der Speaker auf der Konferenz war 8.30 Uhr, Konferenzbeginn war pünktlich um 9.00 Uhr. Die Agenda war sehr umfassend, vollgepackt mit Keynotes von Speakern aus der ganzen Welt und daher minutiös durchgetaktet. Insofern wurde von den Organisatoren auch sehr streng auf die Einhaltung der Redezeit geachtet, was weitgehend sehr gut funktioniert hat.
Meine Keynote war für 10.40 Uhr angesetzt. In dieser habe ich den bevh und seine Mitglieder vorgestellt, Zahlen und Fakten zum E-Commerce in Deutschland präsentiert, umfassende Informationen zum Deutschen Online-Shopper vermittelt sowie relevante E-Commerce Trends in Deutschland vorgestellt. Abschließend habe ich mir (natürlich) nicht nehmen lassen, freundlich aber bestimmt in der Sache die Einhaltung europäischer Vorgaben bei Einfuhren aus China in die EU „anzumahnen“.
Im Anschluss an meinen Vortrag wurde ich von verschiedenen chinesischen Rundfunkanstalten interviewt. Und dann hatte Zeit und Gelegenheit, mir die folgenden Keynotes anzuhören. Und eines ist dabei sehr deutlich geworden: China ist extrem aktiv im E-Commerce und arbeitet dabei mit sehr modernen Mitteln und Methoden. China ist umfassend digitalisiert und uns in vielen diesbezüglichen Punkten weit voraus. Als ein wesentlicher Aspekt ist hier bspw. die starke Marktdurchdringung von Mobile Payment zu nennen. Sechs von zehn chinesischen Verbrauchern zahlen mittlerweile mobil – in Restaurants, in Einkaufszentren, online und in mobilen Apps. Darüber hinaus wollen chinesische Onlinehändler expandieren und ihre Produkte weltweit verkaufen. (Einige der o.g. Punkte hatte ich in meinem Artikel "E-Commerce in China - schnell und einfach?" schon mal etwas näher beleuchtet.)
Umgekehrt haben aber auch viele andere Staaten – u.a. Russland, Spanien, Mexico, Malaysia und Australien – sehr großes Interesse daran, im chinesischen Onlinehandel Fuß zu fassen. Und das ist nur nachvollziehbar: Denn Chinas E-Commerce-Markt ist der größte der Welt. Dabei sind erst knapp über 50 Prozent aller Chinesen (ca. 585 Mio) mit dem Internet vernetzt. Die E-Commerce-Agentur eShop World prognostiziert bis 2021 etwa 844 Mio. chinesische Online-Shopper. Insofern bedeutet in China selbst ein geringer Marktanteil einen relevanten Umsatz für ausländische Einzel- bzw. Onlinehändler.
Laut eines McKinsey Reports von 2016 hat China mit mehr als 225 Millionen Menschen zudem die größte Mittelschicht der Welt. Und diese verfügt über ein wachsendes verfügbares Einkommen und interessiert sich darüber hinaus verstärkt für internationale Premium-Produkte. Und dies birgt großes Potential für Einzelhändler und Marken aus dem Ausland.
Gegen Ende der Konferenz wurde ich eingeladen, die offizielle Unterzeichnung einer Kooperationsvereinbarung zwischen dem Committee of E-Comerce on China Association of Trade in Services und einem anderen Chinesischen Verband zu bezeugen.
Voll mit vielen neuen Informationen zum E-Commerce in und mit China sowie einer Vielzahl an Eindrücken bin ich an diesem Abend ein letztes Mal durch Weifang spaziert, um das Gehörte und Gesehene noch einmal Revue passieren zu lassen.
Am nächsten Morgen (24.09.17) ging es bereits um 4.00 Uhr los zum Flughafen Qingdao und von dort dann wieder zurück nach Deutschland.
Meine kurze Reise nach China war sehr intensiv und informativ. Ich habe viel gesehen und gelernt. China ist viel moderner, als man zunächst vermuten mag. Und ohne mobile läuft in China eigentlich gar nichts.
Es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass China auch in Zukunft eine zentrale Rolle im globalen E-Commerce einnehmen wird.