Ein Gastbeitrag von Elena Gatti, Deputy Managing Direktor DACH bei Azoya
China. Das Reich der Mitte. Scheinbar unnendlich weit weg? Eigentlich nicht, denn mithilfe von cross-border E-Commerce ist auch China nur einen Mausklick entfernt. Trotzdem haben bislang nur wenige deutsche Einzelhändler den Schritt nach Fernost gewagt. Zu unbekannt, zu riskant sei der Markt, der in Zahlen sehr vielversprechend aussieht. Die wenigen, die bereits in China aktiv sind oder waren, haben zum Teil ähnliche und zum Teil sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Und genau aus diesen Erfolgen und Misserfolgen der Pioniere auf dem chinesischen Markt sollten die Nachzügler lernen. Denn was in Deutschland funktioniert, kann in China komplett floppen.
Der chinesische E-Commerce Markt hat in den letzten drei Jahren einen rasanten Wandel durchlebt. In 2013 gab es nur vereinzelt Händler aus Übersee, die Direktversand für chinesische Verbraucher anboten. In 2014 erließ die chinesische Regierung offiziell Gesetze zur Regulierung des cross-border E-Commerce Marktes und erlaubte damit den direkten Kauf internationaler Produkte für chinesische Endverbraucher. In dieser Zeit explodierte der Markt schier vor Angeboten. Es entwickelte sich ein regelrechter Graumarkt, denn alle wolllten ein Stück vom Kuchen abhaben. Hunderte von neuen Playern am Markt buhlten um die Gunst der Käufer, darunter auch sogenannte “Schurkenhändler”, die massenhaft gefälschte Waren anboten. Die Branche geriet völlig außer Kontrolle.
Im Frühjahr 2016 griff die Regierung Chinas daher erneut ein und führte eine Reihe von neuen Regulierungen ein. Diese sollten B2C-E-Commerce und den traditionellen B2B2C-Bulk-Handel ermöglichen. Die neue Regulierung hatte auch sofortige Auswirkungen: Das Gesamtvolumen der grenzüberschreitenden E-Commerce-Transaktionen ist in den letzten 12 Monaten um fast die Hälfte erstmal zurückgegangen und viele der “Fake-Player” sind vom Markt verschwunden. Und damit noch nicht genug – auch in 2017 wird es weitere Feinabstimmungen geben, die Hand in Hand mit der berühmten "Positivliste" gehen, die im Führjahr erlassen wurde. Diese Liste macht es möglich, dass beliebte ausländische Produkte über die Freihandelszone Chinas importiert werden können.
Während der Satz “Die chinesische Regierung reguliert den E-Commerce Markt” im ersten Moment Skepsis hervorruft, sollte er deutsche Einzelhändler nicht abschrecken. Im Gegenteil, die Regulierungen bereiten den Weg in stabilere Zeiten vor, von dem sowohl internationale Verkäufer wie auch chinesische Verbraucher profitieren werden.
Mehr als nur Marktplätze
Der größte Marktplatz für internationale Verkäufer in China war und ist nach wie vor Alibabas Einkaufsplattform Tmall Global. Daran lässt sich nicht rütteln. Aufgrund seiner Größe kann der Verkauf über den Giganten allerdings durchaus kostspielig werden, wenn alle Kosten mit berücksichtigt werden. Zudem besteht nach wie vor auch das Risiko, dass die eigenen Produkte neben gefälschten Waren platziert werden, die dem eigenen Ruf schaden könnten. Denn gefälschte Produkte gibt es beim Marktführer. Alibaba ist dieses Problem, das grundsätzlich in der Natur von Marktplätzen jeglicher Form liegt, durchaus bewusst und das Unternehmen arbeitet bereits aktiv an der Gewährleistung und Einhaltung von Produktstandards und –sicherheit.
Doch dies ist mitunter ein Grund, warum nun internationale Einzelhändler, die den Schritt nach China über den Marktführer gegangen sind, häufiger wieder auf ihren eigenen Shop setzen und versuchen den chinesischen Kunden über neue Kanäle zu erreichen.
WeChat und Weibo – zwei Namen, die man kennen sollte
WeChat ist mit Abstand Chinas beliebteste Messaging-App. Und sie ist so viel mehr als nur das: Die App hat sich zu einem allumfassenden Browser für mobile Websites entwickelt. Einzelhändler, Banken und Modemarken eröffnen offizielle Konten auf dieser "Super-App". Und das ist nicht weiter verwunderlich, wenn man überlegt, dass sich etwa 94% der insgesamt 700 Millionen WeChat Nutzer jeden Tag anmelden. Das sind ungefähr so viele Menschen wie ganz Europa Einwohner hat.
Eine weitere wichtige Social-Media-Plattform, die Einzelhändler nutzen können, um ihren Umsatz zu steigern, ist Weibo. Besser bekannt als das chinesische Twitter, wuchs diese Microblogging-Website allein in 2016 um ein Drittel und hat jetzt fast drei Millionen Nutzer. Das mag im Vergleich zu WeChat sehr wenig klingen, aber für Chinesen ist Weibo eine sehr beliebte Plattform, um Inhalten von Online-Influencern zu folgen.
Die europäischen Einzelhändler La Redoute und Feelunique haben kürzlich mit ein paar der wichtigsten Online-Prominenten Chinas zusammengearbeitet. Die KOLs – Key Opinion Leader – haben die Produkte der beiden europäischen Retailer genutzt und ihre Erfahrungen und Bewertungen mit ihren Fanbases geteilt. Und dieser Trend dürfte sich auch in 2017 fortsetzen.
Mobile, mobile, mobile
Mobile Commerce (M-Commerce) ist bereits für mehr als die Hälfte des Online-Vertriebs in China verantwortlich. Wie die jüngsten Zahlen zeigen, repräsentieren Smartphones heute über 90 Prozent aller neuen Telefonkäufe. Diese Zahlen werden ein weiteres Wachstum von M-Commerce weiter begünstigen.
WeChat hat dazu den ultimativen Zugang für Einzelhändler bereitgestellt, um Verbraucher über ihre Smartphones zu erreichen. Die App ermöglicht es ihnen, Beziehungen mit Kunden über ihre offiziellen Konten aufzubauen. Ein weiterer großer Vorteil ist die einfache Zahlung mit dem Handy. Kunden erstellen in ihrem Profil eine WeChat Brieftasche und können durch die Verknüpfung zu einer Bankkarte problemlos und vor allem bargeldlos einkaufen.
Die grenzüberschreitende E-Commerce-Branche reift und das unkontrollierte Modell der letzten Jahre entwickelt sich zu einer nachhaltigeren und gesünderen Geschäftsperspektive für deutsche Einzelhändler, die in China verkaufen wollen. Der Markt ist auf jeden Fall da. Und er ist noch längst nicht saturiert. Wer sich bislang noch nicht mit dem chinesischen Markt befasst hat, sollte dies in 2017 nachholen, denn dieser dürfte sich im kommenden Jahr für internationale Händler lohnen.
Über Azoya:
Azoya International ist ein zur Lenovo Group gehörender führender Lösungsanbieter für grenzüberschreitenden E-Commerce nach China. Seit 2013 bietet das Unternehmen E-Commerce-relevante Lösungen für internationale Online-Händler, Einzelhändler sowie Markenhersteller an, die ihr Geschäft in China aufbauen möchten. Das Portfolio von Azoya International beinhaltet sowohl die Beratung als auch die Umsetzung von Expansionsplänen über geeignete Lösungen. Alle erforderlichen Schritte wie beispielsweise die technische Einrichtung, Sprachservices, einen lokalen Kundenservice, internationale Logistik und fremdwährungsbezogene Zahlungsabwicklung sowie der tägliche Betrieb des Shops kommen aus einer Hand. Azoya unterstützt heute mehr als 30 Onlinehändler aus zehn Ländern.