Re-Commerce: Definition und Markt
Im Gegensatz zu dem Handel mit Neuwaren werden im Re-Commerce gebrauchte Produkte zum Kauf angeboten. Hierbei kann es sich sowohl allgemein um Produkte „aus zweiter Hand“ (Secondhand Produkte) als auch um Vintage Artikel handeln, also gebrauchte Produkte, die bspw. einen Sammlerwert erfüllen. Zu den häufig gehandelten Produktkategorien zählen Bekleidung, Elektronik und Bücher.
- Für 2024 wird der Gesamtumsatz des Online-Secondhand-Handels mit 9,9 Milliarden Euro bewertet und verzeichnet somit ein Wachstum von 7,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr 2023.
- Das Marktvolumen des europäischen Re-Commerce-Sektors im Geschäftsjahr 2022/2023 wird auf 94 Milliarden Euro geschätzt und bis 2025 ein Anstieg auf 120 Milliarden Euro erwartet.
Re-Commerce: Konsumentenperspektive
Eine repräsentative Befragung (N = 1903) durch das Institut für Handel & Internationales Marketing der Universität des Saarlandes im Auftrag des bevh zeigt, dass Re-Commerce ein fest verankerter Bestandteil des deutschen Konsumalltags ist.
- 55 % der Befragten haben im letzten Jahr gebrauchte Produkte online gekauft, 52 % haben selbst verkauft – meist Kleidung, Bücher, Elektronik.
- Jüngere, höher gebildete und einkommensstärkere Gruppen nutzen Re-Commerce intensiver.
- Preis-Leistung und Ersparnis sind die stärksten Treiber, um im gebrauchte Waren online zu kaufen. Die Freude am Stöbern hat fast ebenso hohen Einfluss. Nachhaltigkeit wird als Nutzungsmotivation zwar oft genannt, hat aber geringere reale Bedeutung für Kaufentscheidungen.
- Auch beim Verkauf gebrauchter Produkte stehen finanzielle Aspekte, Nachhaltigkeit und einfache Abwicklung im Vordergrund.
- Vor allem Unsicherheit über den Produktzustand hält potentielle Käufer von der Nutzung des Re-Commerce ab – dieser Grund wurde von 49 % der Befragten genannt, die keine gebrauchten Waren im Internet kaufen. Hier setzt die EU-Gesetzgebung z.B. mit dem „Right to Repair“ an.
- 54,5 % der Käufer geben an, sich durch Re-Commerce mehr leisten zu können. 35 % reinvestieren die Einsparungen dabei in weiteren Kauf gebrauchter Waren. 54,7 % verwenden Einsparungen für allgemeine Lebenshaltungskosten.
Re-Commerce: Händlerperspektive
Re-Commerce wird von den Unternehmen als strategisch wichtige Ergänzung zum Neuwarenhandel betrachtet – mit zentraler Bedeutung für Ressourcenschonung, Emissionsminderung und nachhaltige Positionierung. Die Motivation reicht von ökologischer Überzeugung über wirtschaftliche Chancen bis hin zur Kundenbindung und Innovationsorientierung. Dem stehen wesentliche operative Herausforderungen entgegen:
- Hohe manuelle Prozesskosten (Bewertung, Reparatur, Rücklogistik).
- Geringe Margen, besonders bei günstigen Produkten.
- Hoher Aufwand für Qualitätsprüfung, Aufbereitung und Kundenkommunikation.
- Schwieriger Ankauf von Gebrauchtware – besonders bei Privatpersonen.
- Schwer zu prognostizierende Mengen und Qualitäten.
- Aufwändige Rückführungsprozesse mit hohem Koordinationsbedarf.
- Bedarf an Effizienzsteigerung durch Automatisierung.
Als rechtliche & regulatorische Barrieren werden insbesondere unklare Gewährleistungs- und Rückgaberechte für gebrauchte Ware, steuerliche Hürden, z. B. bei Differenzbesteuerung und Wiederverkäufen, mangelnde Produktdaten (z. B. Echtheitsnachweis bei Luxusprodukten) und unklare Plattformverantwortung (Transparenz-, Kennzeichnungs- und Haftungspflichten) genannt.
Re-Commerce: Ökologisches Potential
Re-Commerce verlängert die Lebensdauer von Produkten und reduziert dadurch signifikant CO2-Emissionen, Rohstoffverbrauch und Abfallmengen. Die Herstellung neuer Produkte dominiert deren Umweltbilanz (80-95% bei Kleidung, 74-94% bei Elektronik), weshalb die Wiederverwendung im Rahmen von Re-Commerce umweltpolitisch sehr wichtig ist.
- Der Kauf von Second-Hand-Produkten ist in der Regel deutlich umweltfreundlicher, mit Einsparungen von 60-80% der CO2-Äquivalente pro Artikel gegenüber Neuware. Auch wenn Re-Commerce zusätzlichen Transport verursacht, bleibt er deutlich nachhaltiger als der Neukauf.
- Weitere Vorteile sind die Reduzierung der Süßwasser-Eutrophierung (42-53%) und des Wasserknappheits-Fußabdrucks (35-53%) bei Second-Hand-Kleidung.
Rebound-Effekt: Ein Teil der durch Re-Commerce erzielten Einsparungen wird in zusätzlichen Konsum (Neu- oder Gebrauchtwaren) reinvestiert. Dies kann den ursprünglichen Einspareffekt mindern.