von Fabienne Valambras, Projektmanagerin Lizenzierungen International, Deutsche Recycling Service GmbH
Neues Jahr, neue Vorschriften und Gesetze. Regelmäßig zu Beginn eines Kalenderjahres ändern viele Länder Ihre Regelungen rund um die Registrierungs- und Kennzeichnungspflichten von Produkten. Unser Nachbarland Frankreich bildet da keine Ausnahme. Ganz im Gegenteil!
Das französische Anti-Abfallgesetz (AGEC), im Februar 2020 in Kraft getreten, beinhaltet eine Fülle von Maßnahmen, die Hersteller, Verkäufer und Händler beachten und umsetzen müssen. Das AGEC sieht unter anderem eine „erweiterte Herstellerverantwortung“ oder „Extended Producer Responsibility“ (kurz: EPR) vor. Die Umsetzung des Gesetzes und die konkrete Ausgestaltung der EPR erfolgt allerdings nicht auf einmal, sondern nach Dekreten, die sukzessive erlassen werden. Seit dem 01.01.2022 sind viele dieser Neuerungen in Kraft getreten. Davon betroffen sind insbesondere Verpackungen, Elektrogeräte und Batterien, aber auch Möbel und Einrichtungsgegenstände, sowie Textilien, Schuhe und Bekleidung.
In unserem Webinar am 03. Februar 2022 (Archiv) haben wir eine erste Übersicht zur Extended Producer Responsibility gegeben. In diesem Blogbeitrag möchten wir auf einzelne Detailfragen eingehen, die uns im Nachgang zu dem Webinar erreicht haben. Die Antworten ersetzen aber keine Beratung im Einzelfall und es kann keine Gewähr übernommen werden.
I. Allgemeine Produktfragen
Fallen folgende Produkte als chemische Produkte unter die EPR:
- allgemeine Reinigungsmittel?
Teilweise ja. Produkte mit Sodium, Salzsäure, Schwefelsäure, Ammoniak fallen unter die EPR. Ebenso Abbeizmittel für den Ofen, Abflussreiniger und Imprägniermittel
- Acrylfarben, die man zu Hause nutzt?
Ja, alle Farben, Lasuren und Lacke gelten als meldepflichtige Produkte.
Gibt es für die Produktklassifizierungen in Frankreich eine Vorgabe oder Übersicht (also z. B. ob ein Schuh mit LED als Textil oder Elektrogerät angesehen wird)?
Es gibt für jede EPR eine Liste von Produkten. Diese Liste ist allerdings nicht vollständig bzw. detailliert; vielmehr sind dort Überbegriffe aufgeführt, wie zum Beispiel bei Möbel „Aufbewahrung“. Hierunter fallen aber nicht nur Regale und Schränke, sondern beispielsweise auch leere Werkzeugkoffer.
Welche Pflichten gelten für B2B-Verpackungen und wie werden diese definiert?
Verpackungen, die nicht typischerweise beim Endverbraucher landen und dementsprechend nicht von Endverbraucher entsorgt werden müssen, fallen zurzeit nicht unter die Kennzeichnungspflicht. Hier liegt die Pflicht zur ordnungsgemäßen Entsorgung bei dem jeweiligen Wirtschaftsakteur.
Gelten die neuen Regelungen auch für second-Hand Produkte?
Ja. Die französischen Regelungen differenzieren nicht nach Neu- oder Second-Hand-Ware. Die Regeln und Pflichten gelten allgemein für den Erst-Inverkehrbringer.
Wie sind die Größen bei Elektrogeräten definiert? Ab welchen Größen sind es große Geräte?
Hier gilt zunächst die gleiche Anforderung wie in Deutschland auch: mindestens eine äußere Abmessung muss mehr als 50 Zentimeter betragen. Darüber hinaus wird in Frankreich aber nicht nur nach Größe, sondern auch nach Gewicht unterteilt.
II. Fragen zur Kennzeichnung
Ein Konkretes Frage-Beispiel: Nehmen wir eine Hose an, die mit einem Reinigungshinweisetikett, einem Bügel, einem Polybeutel und in einem Karton mit einer Rechnung dem Kunden zugeschickt wird: Was muss wie und wo gekennzeichnet werden?
Hier sind zwei unterschiedliche Kennzeichnungen zu beachten:
- Kleidungsstück: Kennzeichnung für Textilien z.B. auf dem Reinigungsetikett. Sollte dort nicht genügend Platz sein, kann die Kennzeichnung auch auf dem Polybeutel erfolgen.
- Verpackung: Sortieranleitung z.B. mit Piktogrammen (und/oder ausgeschrieben): Kleiderbügel, Polybeutel, Karton. Die Rechnung braucht nicht erwähnt zu werden.
Ähnliches Beispiel, nur für Elektroprodukte: Hier müssen jetzt auch zwei Triman-Sortierungen beschrieben werden. Eine Sortierung für die Verpackung und eine Sortierung für das Elektrogerät, richtig?
Ja, ähnlich wie unter Frage 1 beschrieben.
Sind die Piktogramme frei wählbar oder vorgeschrieben?
Speziell für Verpackungen steht eine „Bibliothek“ von Piktogrammen zur Verfügung. Diese sind unterteilt in Produktgruppen, z.B. Lebensmittelverpackung, Verpackung für Hygiene-Produkte, etc. Sollte kein Piktogramm aus der Bibliothek der Verpackung entsprechen, kann als Notlösung ein eigenes Piktogramm definiert werden. Wichtig ist dabei, dass es neutral gestaltet ist (also ohne Logo / Name der Firma, o.ä.) und dass klar ersichtlich ist, auf welches Verpackungsstück sich das Piktogramm bezieht. Da die Bibliothek bereits sehr umfangreich ist, sollte kritisch geprüft werden, ob ein eigenes Piktogramm überhaupt erforderlich ist. Ziel der Sortieranleitungen ist es, Einheitlichkeit zu schaffen und damit möglichst verständlich für Verbraucher zu sein.
Sind die Sortieranleitungen für WEEE, Textilien, Möbel öffentlich zugänglich oder wie bei Verpackungen nur über die Meldesysteme?
Die Sortieranleitungen werden alle über die Rücknahmesysteme ausgestellt. Wir von der Deutschen Recycling können die Sortieranleitungen unseren Kunden zur Verfügung stellen.
Ist vorgegeben, in welcher Farbe die Symbole gedruckt werden müssen oder können sie farblich der Unternehmens-CI angepasst werden?
Grundsätzlich sieht das Dekret für Verpackungen vor, dass der Triman in weißer oder schwarzer Farbe abgedruckt werden muss, wenn man sich für eine monochrome Lösung entscheidet. Wenn die Kennzeichnung farbig sein soll, dann gilt Grün für Glas und Orange für andere Verpackungsmaterialien.
Müssen Sortieranleitungen für WEEE, Batterien, Möbel etc. auf dem Produkt selbst angebracht sein oder dürfen in Bedienungsanleitung oder Verpackung platziert werden?
a) Verpackungen: Grundsätzlich gilt für Verpackungen, dass Triman und Sortieranleitung auf die Verpackung angebracht werden müssen. Außer die Verpackung ist kleiner als 10 Quadratzentimeter und es gibt kein Begleitdokument (Dann genügt eine Kennzeichnung auf der Webseite.) oder die Verpackung ist zwischen 10 und 20 Quadratzentimeter ohne Begleitdokument (Dann gilt: Triman auf die Verpackung – Sortieranleitung auf die Webseite).
b) Batterien und Elektrogeräte: auch hier gelten größenabhängige Regelung. Wenn beispielsweise ein Produkt ohne Verpackung und ohne Anleitung verkauft wird, gilt:
- Produkt größer als 20 Quadratzentimeter: Triman und Sortieranleitung sind auf dem Produkt anzugeben.
- Produkt zwischen 10 und 20 Quadratzentimeter: Triman oder durchgestrichene Mülltonne gehören auf das Produkt UND die komplette Sortieranleitung, inkl. Triman oder durchgestrichene Mülltonne auf der Webseite.
- Produkt kleiner als 10 Quadratzentimeter: Triman oder durchgestrichene Mülltonne + Sortieranleitung auf der Webseite.
c) Möbel und Textilien: Das Gesetz sieht vor, dass der Hinweis auf dem Produkt, seiner Verpackung oder auf einem Begleitdokument (Notiz, Anleitung, etc.) zu erfolgen hat. Wenn möglich, ist die Kennzeichnung auf dem Produkt definitiv empfehlenswert.
Müssen Textilien, die als Persönliche Schutzausrüstung (PSA) eingestuft sind, auch registriert werden oder sind Körperschutzausrüstung ohne Kleidungsaspekt ausgenommen?
Hier muss unterschieden werden, ob das Produkt unter „PSA – Gesundheitsschutz“ oder „PSA – Sport“ fällt. „PSA – Sport“ Produkte sind Bestandteil der neuen EPR Sport- und Freizeitartikel.
Wie erfolgt die Kennzeichnung, wenn deutlich mehr als drei Piktogramme benötigen werden, wie beispielsweise in größeren Sets?
Verkauft man ein Set (beispielsweise sechs Lampen) benötigt man pro Materialart der Verpackungen grundsätzlich eine einzige Sortieranleitung, die auf der äußeren Verpackung angegeben wird. Es muss also nicht jede einzelne Komponente der Verpackung abgebildet werden, sondern alle „Gruppen“. Wichtig dabei ist, dass jede Produktverpackung ihre eigene Kennzeichnung hat. So muss z. B. nicht jede einzelne Styropor-Schutzecke gekennzeichnet werden, sondern es reicht ein allgemeiner Hinweis. Sprich: Werden sechs Lampen verpackt in Polybeuteln mit Seidenpapier in Styropor geschützt in einer Verpackung verkauft, so reicht es, auf der äußeren Produktverpackung jeweils ein Piktogramm zu den einzelnen Verpackungsarten anzugeben.
Müssen die Symbole im konfektionierten Zustand der Verpackung (also im Versandzustand der Verpackung) AUSSEN erkennbar abgedruckt sein? Warum nicht z. B. in der Lasche innen oder im Deckel innen. Dies würde der Endkunde dann trotzdem sehen, wenn er die Verpackung öffnet
Leider gibt das Gesetz vor, dass Triman und Sortieranleitung AUF der Verpackung angebracht werden müssen.
Muss „quefairedemesdechets.fr“ jetzt auch auf Verpackungen angedruckt werden?
Nein, das ist nicht erforderlich.
III. Allgemeine Fragen
- Wer ist für die Meldung verantwortlich, wenn der Händler Amazon Vendor Frankreich beliefern und Amazon die Artikel in den Verkehr bringt?
Der Erst-Inverkehrbringer ist verpflichtet sich zu registrieren. Marktplätze sind verpflichtet, ein Register über alle Drittverkäufer zu führen mit Daten über:
- Unternehmen,
- Mengen und Gewichte verkaufte Ware,
- Personifizierte ID.
Wenn Drittverkäufer keine personifizierte ID vorweisen können, müssten sich theoretisch die Marketplace anstelle des Drittverkäufers als Inverkehrbringer registrieren und der Verpflichtungen nachgehen. Wie im Falle von großen Handelsketten ist zu erwarten, dass Drittverkäufer / Lieferanten ohne ID aus dem Sortiment genommen werden.
Bei Verpackungen wurde nun eine Karenzzeit von weiteren sechs Monaten, also bis zum 16.06.2023, für Produkte eingeführt, die bereits in den Verkehr gebracht wurden. Das bedeutet aber, dass das neue Datum nicht für deutsche Händler gilt, wenn das Produkt bis dato noch nicht in Frankreich in Verkehr gebracht wurde, richtig?
Ja, deutsche Unternehmen müssen bereits ab dem 08.09.2022 alles gekennzeichnet haben, sofern die Ware nicht vorher schon in Frankreich in den Verkehr gebracht wurde.
Gibt es in Frankreich entsprechende zentrale Stellen für Verpackungen, Batterien, WEEE wie in Deutschland (ZSVR-LUCID und Stiftung EAR)?
Alle EPR in Frankreich, die an einem Rücknahmesystem angeschlossen sind, werden von der ADEME (Umwelt- und Energie Agentur) überwacht. Diese führt das Register SYDEREP (Registrierungen und Mengenmeldungen) und vergibt IDU-Nummern („identifiants uniques“) für jeden einzelnen Produktbereich.
In anderen EU-Ländern ist der Grüne Punkt eine Kennzeichnungspflicht. Wie sieht es damit in Frankreich aus? Dürfte man die beiden Logos (Grüner Punkt + Triman) weiterhin gleichzeitig verwenden?
Zum aktuellen Zeitpunkt, ja. Der Versuch Frankreichs, den grünen Punkt zu verbieten, ist vorläufig gescheitert. Strafen für die Nutzung des Grünen Punktes in Frankreich sind zurzeit ausgesetzt bis zur Entscheidung des Staatsrates. Wann der Staatsrat hierüber entscheiden wird, ist aktuell nicht absehbar.
Wie genau wird die Strafe berechnet – kumulativ, pro Verpackung oder pro Artikel?
Es gibt verschiedene Strafregister. Das erste betrifft die Registrierungs- und Meldepflichten des Inverkehrbringers. Hier spielen Anzahl / Volumen der Artikel keine Rolle. Bei den Strafen für nicht-konformes Anbringung der Kennzeichnung kann eine Strafe bis 15000 EUR für ein Unternehmen verhängt werden.
Müssen die IDU in den AGB bzw. im Impressum angegeben werden, wenn nur eine „.de“-Domain existiert?
Ab dem Moment, ab dem der Händler online verkauft, muss die ID ebenfalls im Impressum vermerkt werden, da auch auf einer „.de“-Domain französische Kunden einkaufen können. Sofern Händler AGB haben, sind die ID-Nummern auch dort anzugeben. Andernfalls muss die ID in Vertragsdokumenten genannt werden (beispielsweise Rechnung oder Auftragsbestätigung; Aber Achtung: der Lieferschein ist kein Vertragsdokument!).
Ich frage mich, wie das in der Praxis funktionieren soll. Wenn ich als Händler 100.000 verschiedene Artikel verkaufe, und die kommen aus der ganzen Welt, dann enthalten die keine Kennzeichnung. Ich kann als Händler den Triman zwar auf den Versandkarton drucken, aber doch nicht auf den Artikel!
Die neuen Pflichten in Frankreich stellen die Wirtschaft, besonders den grenzübergreifenden Versand- und E-Commerce-Händler, vor große Herausforderungen. Wenn die Produkte im Versandkarton auch über eine eigene Produktverpackung verfügen, muss diese ebenfalls gekennzeichnet werden. Wenn das Produkt ohne eigene Verpackung in dem Versandkarton verschickt wird, muss lediglich die Versandverpackung mit evtl. Füllmaterial oder Schutz auf der Sortieranleitung vermerkt werden. Die Kennzeichnung betreffend das Produkt kann dann ebenfalls auf die Verpackung.