Von einer Belebung des Geschäfts kann für die Distanzhändler derzeit kaum die Rede sein. Zwar hat die Verbraucherbefragung des bevh für das erste Halbjahr ein Wachstum der Käufe im E-Commerce von 3,5 Prozent ergeben (auf Basis einer wöchentlichen Befragung mit insgesamt gut 20.000 Konsumenten zwischen Anfang Januar und Ende Juli). Aber aus der für das bevh-Branchenbarometer gezogenen Stichprobe unter den bevh-Mitgliedsunternehmen resultiert insgesamt noch ein leichtes Minus.
Für den gleichen Zeitraum berichten die befragten Online- und Versandhändler im Mittel von einem Geschäftsrückgang um 1,6 Prozent. Der Zentralwert (Median), durch den sich die Ausreißer nach oben und unten bereinigen lassen, liegt bei 0 Prozent. Das ist immerhin etwas besser als noch im 1. Quartal, als der Mittelwert bei -2,2 Prozent, der Median sogar bei -3 Prozent lag. Da nicht genau die gleichen Unternehmen an der Befragung teilgenommen haben, lassen sich die Zahlen jedoch nur bedingt ins Verhältnis setzen.
Auffällig ist, dass die Zahlen der teilnehmenden B2B-Anbieter einen Median von -1 Prozent im 2. Quartal, im Halbjahr allerdings ein Wachstum von 2 Prozent ergeben. Die B2C-Händler kamen im 1. Quartal auf einen Median-Wert von -2 Prozent, zum Halbjahr auf einen ausgeglichenen Wert (0 Prozent). Die Händler der Stichprobe haben also im ersten Quartal bessere Zahlen geschrieben als im zweiten Quartal. Wie bereits im ersten Quartal, haben auch im zweiten Quartal diejenigen Händler, die gewerbliche und private Kunden bedienen (sog. Hybrid-Anbieter), deutlich schlechtere Resultate erzielt, mit einem Median-Rückgang im zweiten Quartal von -3,1 Prozent und sogar -6 Prozent im gesamten Halbjahr.
Dass die steigende Kauflust nicht bei den Händlern ankommt, zeigt sich auch daran, dass mehr als vier von zehn befragten Händlern von sinkenden Umsätzen pro Bestellung sprechen, mehr als jeder Zweite von weniger Bestellungen insgesamt. Bei jedem fünften sinkt die Zahl der Bestellungen sogar stark. Entsprechend größer ist auch die Zahl derjenigen Befragten, die für das kommende Quartal weiter rückläufige Umsätze erwarten: War zum Beginn des zweiten Quartals nur jeder vierte Händler so pessimistisch, ist es inzwischen schon jeder dritte Befragte. Und fast vier von zehn Befragten gehen inzwischen davon aus, die Vorjahresumsätze 2025 nicht mehr erreichen zu können.
Wir haben in der Stichprobe auch gefragt, welchen Anteil ggf. die über den Verkauf auf Onlinemarktplätzen erzielten Umsätze an der Gesamtleistung des Handelsgeschäfts haben. Im Mittel liegt dieser Wert bei 25 Prozent, wobei die Spreizung zwischen 95 Prozent und 4 Prozent liegt. Der Median liegt bei 15 Prozent. Interessant ist dabei, dass es keine Korrelation zwischen der Höhe des Marktplatzanteils und der Entwicklung des Umsatzes zu geben scheint. Weder also haben wir eindeutige Hinweise darauf, dass Online-Marktplätze das Geschäft per se treiben, noch führt Marktplatz-Abstinenz automatisch zu schlechterer Entwicklung. Allerdings ist die Stichprobe zu klein und divers, als dass hier eindeutige Schlüsse zu ziehen wären.
Ebenfalls nur indikatorisch ist der Blick auf die Unternehmensgrößen. Hier sieht man, dass zum Halbjahr insbesondere die kleinen Unternehmen in den Größenklassen 0-2 Mio. Euro und 2-10 Mio. Euro Rückgänge verzeichnet haben. Größere Unternehmen konnten leichtes Wachstum realisieren, wenngleich auch hier noch unter den Zahlen, die die Verbraucherbefragung ergeben hat. Steigende Umsatzkosten werden zum Problem, wenn die Kapitaldecke dünn ist. Und auch der Weg in Auslandsmärkte, die erneut bei fast jedem dritten Befragten besser performen, bedeutet zunächst Investition.
Da wir jedes Quartal eine größere Zahl Sentiment-Fragen in identischer Form stellen, können wir bei aller statistischen Vorsicht Tendenzen erkennen, die zeigen, wie die andauernde wirtschaftliche und inzwischen auch gesellschaftliche Krise die Substanz des E-Commerce aufzehrt:
- Personalmaßnahmen werden wahrscheinlicher, obwohl alle wissen, wie schwer es ist, Personal (wieder) zu finden. Mehr als 40 Prozent der Befragten sagen, die Anhebung des Mindestlohns lasse sich nur so auffangen.
- Die steigenden Werbekosten bedrohen die ohnehin sinkenden Gewinnmargen.
- Das generische Wachstum des E-Commerce – also der transformationsbedingte Zuwachs an Marktanteilen in den verschiedenen Warenkategorien – schmilzt ab.
- Zugleich fühlen sich bald drei Viertel der Unternehmen trotz gegenteiliger Versprechen auch unter der neuen Regierung von Bürokratie überfordert.
- Compliance statt Commerce: Inzwischen müssen 7 von 10 Unternehmen Personal nur für Bürokratiebewältigung anstellen.
- Eine Mehrheit sieht die deutsche und europäische Gesetzgebung nicht als Fundament, sondern als Ballast im globalen Wettbewerb.
- Einzig wird nach dem Ampel-Aus das Verhalten von Regierung und Parteien weniger – aber immer noch deutlich – als Konsumbremse kritisiert.
Q1/2024 | Q2/2024 | Q3/2024 | Q1/2025 | O2/2025 | |
Wir befürchten, auf die aktuelle Situation mit Personalmaßnahmen reagieren zu müssen. | 20,00% | 23,33% | 22,95% | 27,91% | 40,48% |
Wir müssen deutlich mehr in die Werbung investieren und haben dadurch wesentlich höhere Umsatzkosten. | 35,56% | 36,67% | 37,70% | 41,86% | 47,62% |
E-Commerce wird in unserer Warenkategorie seinen Anteil am gesamten Handelsvolumen trotz der aktuellen Krise weiter ausbauen. | 53,33% | 41,67% | 39,34% | 34,88% | 38,10% |
Die zahlreichen Vorgaben aus der Politik überfordern uns als Unternehmen. | 56,82% | 67,80% | 63,33% | 67,44% | 71,43% |
Die deutsche und europäische Gesetzgebung hängt uns im globalen digitalen Wettbewerb ab. | 43,18% | 45,76% | 50,00% | 41,86% | 52,38% |
Um die zahlreichen Prüf- und Dokumentationspflichten erfüllen zu können, müssen wir zusätzliches Personal einstellen oder von anderen Aufgaben abziehen. | 45,45% | 54,24% | 60,00% | 62,79% | 69,05% |
Das Verhalten der Parteien und der Regierung belastet die Konsumstimmung stärker als die tatsächliche wirtschaftliche Lage. | 63,64% | 74,58% | 61,67% | 58,14% | 40,48% |
Die inzwischen als Empfehlung vorliegende Erhöhung des Mindestlohns können noch nicht alle Unternehmen in das Lohngefüge einpreisen. Wegen des Lohnabstands müssen vielfach weitere Gehaltsstufen angehoben werden. Diejenigen, die eine Erhöhung des Anteils der Lohnkosten bereits taxiert haben, gehen im Mittel von einer Steigerung um 10-15 Prozent aus.