verfasst von Sebastian Schulz
Die Abmahnung ist besser als ihr Ruf. Auch wenn es nervt, Zeit und Geld kostet, können Abmahnung und U-Erklärung dabei helfen, Rechtsverstöße schnell und vergleichsweise kostengünstig aus der Welt zu schaffen. Wenn halbseidende „Vereine“ und andere misanthropische Verlierer das Instrument der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung aber als Lizenz zum Gelddrucken für sich enddecken, verkehrt das alle hiermit verbundenen Vorteile in ihr Gegenteil. Den Ergebnissen der Abmahnstudie von Trusted Shops aus dem Jahr 2016 zufolge sieht sich mittlerweile jeder zweite Online-Händler durch das aufkommende Abmahnunwesen sogar in seiner Existenz bedroht. Weil auch der bevh mit solchen Entwicklungen immer wieder konfrontiert wird, hatten wir bereits im November 2015 ein Forderungspapier zur Reform der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung erarbeitet und an die Politik adressiert. Dieses Papier und unser Parlamentarischer Abend zum Thema im Sommer 2016 waren dann auch die wesentlichen Initialzündungen für das heute der Politik und der Öffentlichkeit vorgestellte Forderungspapier einer breiten Verbändekoalition. In dieser Koalition haben sich die wichtigsten politischen Player u.a. aus den Bereichen E-Commerce und Handel, Mittelstand und Internetwirtschaft zusammengeschlossen, um gegenüber der Politik ein nicht mehr zu überhörendes Signal zu senden:
Dreht den Abmahnvereinen endlich den Hahn zu!
Das Forderungspapier konzentriert sich auf die in der Praxis relevanten Fälle des Abmahnmissbrauchs und enthält konkrete Anregungen für Änderungen des Rechtrahmens. Hierzu zählen u.a.
- eine Konkretisierung der Abmahn- und Klagebefugnis des Abmahnenden,
- die Reduzierung des finanziellen Anreizes einer Abmahnung sowie
- Änderungen des Verfahrensrechts.
Wer nun entgegnet, dass Forderungen nach einer Beschneidung des Abmahnmissbrauchs zu kurz greifen und erst recht nicht das Problem an der Wurzel, hat freilich nicht Unrecht. Es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass die immer neuen Compliancepflichten, allen voran immer weiter ausufernde Informationspflichten, auch für (im Kopf) gut sortierte Unternehmen kaum mehr zu überblicken, geschweige denn rechtskonform umzusetzen sind. Der Fetisch des europäischen Gesetzgebers, annähernd alle Wirtschaftszweige in immer kürzeren Intervallen mit immer neuen Vorgaben beglücken zu müssen, hat in der Praxis in den meisten Fällen längst zu einer Verpflichtung zur Irrelevanz geführt. Solange die Mitgliedstaaten gegen diese Form der Politik nicht aufbegehren und solange nicht auch auf europäischer Bühne das in Deutschland geltende Prinzip des „One in, one out“ eingeführt wird, wird diese beklagenswerte Entwicklung weitergehen. Mit Alleingängen kann der deutsche Gesetzgeber – selbst wenn er es wollte – hier nichts ausrichten.
Was der nationale Gesetzgeber aber festlegen kann, sind die Leitplanken der Rechtsdurchsetzung, insbesondere wenn diese wie hierzulande ganz wesentlich privatwirtschaftlich organisiert ist. Und genau hier setzt das heute veröffentlichte Verbändepapier an. Nun sollte man eigentlich meinen, dass man den deutschen Gesetzgeber an dieser Stelle nicht katholisch machen müsse. Bereits im Januar 2011 hat das Bundesministerium der Justiz in einem Eckpunktepapier mit dem Titel „Missstände bei Abmahnungen nach dem UWG und UrhG – Eckpunkte zur Beseitigung“ durch die Ursachen sowie die Auswirkungen missbräuchlicher Abmahnungen bereits umfassend dargestellt. Auch die Regierungsbegründung zum Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken verweist darauf, dass die wirtschaftliche Belastung durch wettbewerbsrechtliche Abmahnungen für die betroffenen Kleinunternehmer und Existenzgründer häufig existenzbedrohende Ausmaße annehme.
Alldieweil; geschehen ist freilich nichts.
Dieses für Teile der Wirtschaft existenzschädigende Zuwarten muss ein Ende haben. Die hinter dem Papier stehenden Organisationen, darunter der bevh, fordern von den politischen Parteien ein klares Bekenntnis zur privaten Rechtsdurchsetzung, gegen Abmahnmissbrauch und die Zusage, nach der Bundestagswahl die erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung bestehender Defizite umgehend gesetzgeberisch anzugehen. Das Thema bleibt für uns gerade im Wahljahr 2017 ganz oben auf der Agenda.