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Was macht ein „E-Commerce-Kaufmann“ eigentlich?

Susan Saß fragt Martin Groß-Albenhausen

Nach 10 Monaten Sachverständigenverfahren stehen die Inhalte des neuen Ausbildungsberufs „Kaufleute im E-Commerce“. Kurz zusammengefasst: Was macht ein E-Commerce-Kaufmann eigentlich?

Der E-Commerce-Kaufmann verantwortet den Onlinevertrieb in einem Unternehmen. Das bedeutet: Er wählt die Online-Vertriebskanäle oder auch das im Internet genutzte Geschäftsmodell aus und kümmert sich um alle dazu gehörenden Prozesse. Das ist die Entwicklung eines attraktiven Sortiments, die Beschaffung und Optimierung der Daten, und ganz besonders auch der Online-Verkauf an sich. Er sollte die Instrumente des Online-Marketing, des Shopmanagement mit allen wichtigen Aspekten wie Gestaltung der Kategorien- und Produktseiten, des Checkout-Prozesses, der Zustell- und Retourenprozesse beherrschen. Eine Kernkompetenz ist dabei auch das permanente Testen, Analysieren und Optimieren des Shopangebots.

Sind das nicht alles Dinge, die heute jeder Händler können muss?

In der Ausbildungsverordnung wird das formuliert, was das genuine Profil eines Berufs ausmacht. Ein Einzelhändler hat seine Kompetenzen in vielen stationären Aktivitäten. Ein Groß- und Außenhändler ist ganz stark im Einkauf und in Logistikprozessen. Der E-Commerce-Kaufmann kümmert sich um digitale Prozesse und Geschäftsmodelle – und das in jeglichem Betrieb, der Onlinekanäle für den Vertrieb seiner Produkte nutzt. Das kann ein reiner Onlinehändler sein, ein Reiseveranstalter oder Online-Spieleanbieter, ein Industrieunternehmen mit einem B2B-Shop oder einem Vermarkter über Marktplätze. Die digitale Kompetenz der E-Commerce-Kaufleute macht sie einzigartig und zukunftsfähig.

Also können E-Commerce-Kaufleute mehr als Einzel- oder Großhandel im Internet?

Genau. Sie sind Fachkräfte für digitale Geschäftsmodelle. Wir sehen jeden Tag, dass neue Industriezweige „disruptiert“ werden. Die Digitale Transformation braucht eine breite Basis. Das haben wir durch die sehr offene Formulierung in der Ausbildungsverordnung gewährleistet.

Ist es nicht überzogen, von Azubis den Weitblick für die Transformation von Geschäftsmodellen zu erwarten?

Eine gute Frage. Kaufmännische Ausbildung ist formell im Deutschen Qualifikationsrahmen im Niveau 4 angesiedelt. Damit sollen ausgebildete Kaufleute in der Lage sein, selbständig Aufgaben zu bearbeiten und Probleme zu lösen. Dabei müssen sie Handlungsalternativen einzubeziehen sowie Wechselwirkungen mit benachbarten Bereichen berücksichtigen. Sich mit Veränderungen und Entwicklungen auseinanderzusetzen ist nach dieser Definition frühestens Aufgabe des Meisters, Fachwirts oder Bachelors. Wir glauben aber, dass der Umgang mit Veränderung eine der Kernkompetenzen von E-Commerce-Kaufleuten ist. Schließlich entstehen in kaum einer Branche, durch die Digitalisierung, so rasant neue Geschäftsmodelle. Deshalb war es uns als bevh so wichtig, dass die permanente Beschäftigung mit der Veränderung an verschiedenen Stellen im Ausbildungsplan integriert wird. Dies ist uns auch gelungen, worauf wir sehr stolz sind. Ich bin davon überzeugt, dass dies keine Überforderung darstellen wird. Entrepreneurship kann man schon in der Schule lernen. Das beweisen Organisationen wie das „Network for Teaching Entrepreneurship“.

Du sagst, der bevh ist so stolz auf den neuen Ausbildungsberuf. Es hört sich auch bei der Entwicklung nach „Kampf“ an und wir mussten uns durchsetzen. Wie kontrovers war die Entwicklung dieses Berufsbildes?

Die Entwicklung war ein Paradebeispiel dafür, wie Verbände im Sinne der Sache zueinander finden! Wir haben seit 2012 mit dem DIHK über einen eigenen Beruf für unsere Branche gesprochen. Damals war aber die Devise, dass angesichts der demographischen Entwicklung keine neuen „Splitterberufe“ geschaffen werden sollten. Wir dachten dann, dass man bestehende Berufe „digitalisieren“ könnte. Das hat sich aber als illusorisch erwiesen. Denn zum einen hätte es andere Berufe derart aufgebläht, dass sie nicht mehr ausbildbar gewesen wären. Zum anderen hätten dann sehr viele Berufe angepackt werden müssen.

Deshalb stehen hinter dem neuen Beruf heute nicht nur wir als Branchenvertretung des E-Commerce, sondern mehrere: der Deutsche Reiseverband DRV beispielsweise und der Verband Internet Reisevertrieb V-I-R; der Bundesverband Groß- und Außenhandel und der Handelsverband Deutschland HDE. Sie alle waren von Anfang an in die Abstimmung auf Arbeitgeberseite involviert. Das beantwortet Deine Frage auch ganz gut: So unterschiedliche Unternehmen und Sparten, die alle über eigene bestehende Berufe verfügen, unter einen Hut zu bringen, führt zwangsläufig zu Diskussionen. Aber es hat eben auch gezeigt: E-Commerce tickt in allen diesen Branchen gleich. Das war der beste Beweis, dass es einen eigenen Beruf geben kann.

Kann nun jedes beliebige Unternehmen E-Commerce-Kaufleute ausbilden?

Ja. Jedes beliebige Unternehmen, das E-Commerce-Vertriebskanäle nutzt, kann ab 2018 diesen Beruf ausbilden. Das Unternehmen muss aber zuerst bei der IHK die Zulassung für die Ausbildung in diesem spezifischen Beruf beantragen. Dazu muss es alle in der Ausbildungsverordnung festgeschriebenen Handlungsfelder bzw. Berufsbildpositionen auch ausbilden können – notfalls im Verbund mit einem Partner. Im Unternehmen selbst muss schon jemand arbeiten, der sowohl fachlich, z.B. als Shopmanager, die Azubis betreuen kann, als auch durch eine Eignungsprüfung die pädagogische und formale Qualifikation erworben hat. Das sind aber keine großen Hürden.

Betriebe müssten aber erstmal die Inhalte der Ausbildungsverordnung kennen. Die scheint aber noch keiner zu haben, oder?

Sie ist ja auch noch nicht erlassen. Es ist einfach schwierig, in einem laufenden Gesetzgebungsverfahren Texte kursieren zu lassen, die dann vielleicht doch noch verändert werden müssen. Der Arbeitgeberverband HDE hat nun aber, als Federführer, doch gewagt, die Tätigkeiten im Überblick zu benennen. Das liest sich dann so:

  • Konzeption und Weiterentwicklung von Waren- und Dienstleistungssortimenten
  • Beurteilung, Einsatz und Weiterentwicklung von Vertriebskanälen des E-Commerce
  • Bewirtschaftung von Onlineportalen und Onlineshops sowie Unterstützung der Beschaffung
  • Einsatz von Instrumenten der kaufmännischen Steuerung und Kontrolle im E-Commerce
  • Gestaltung der Schnittstellen mit anderen Vertriebskanälen
  • Beurteilung und Auswahl von Kommunikationskanälen, Gestaltung der internen und externen                 Kommunikation
  • Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen des Onlinemarketings
  • Anbahnung und Abwicklung von Online- Waren- und Dienstleistungsverträgen
  • Beurteilung und Einsatz verschiedener Bezahlsysteme
  • Einhaltung von rechtlichen Bestimmungen im E-Commerce
  • Anwendung projektorientierter Arbeitsweisen im E-Commerce

Wer bei diesen Dingen sagt: Prima, das machen wir schon, der hat alle Chancen, seine zukünftigen E-Commerce-Fachkräfte ab Sommer 2018 direkt auszubilden.

Kann man solche Ausbildungsverträge denn schon schließen?

Formal können sie noch nicht eingetragen werden, weil der neue Beruf ja noch nicht im Bundesgesetzblatt verkündet wurde. Wann das genau passiert, kann niemand sicher sagen, aber der Sommer 2018 als Starttermin ist gesetzt.

Was kann man den Interessenten über die Weiterqualifizierung sagen?

Es gibt viele Möglichkeiten. Es soll einen „Fachwirt für E-Commerce“ geben. Diese Fortbildung ist auf dem DQR-Niveau 6 angesiedelt, gleicht also dem Bachelor. Manche zweifeln, dass ein Fachwirt heute angesichts zahlreicher Bachelor-Studiengänge Sinn habe. Ich bin da anderer Ansicht. Aber jetzt erst einmal ein Schritt nach dem Anderen.