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Sieben Kernkompetenzen im Data-Driven-Marketing

Interview mit Lutz Klaus; gefragt von Martin Groß-Albenhausen

Datengetrieben war Marketing – zumindest im Distanzhandel – immer. Dennoch erhöht sich heute der Druck auf Unternehmen, deutlich mehr Datenquellen zu nutzen, um Kunden auf immer mehr unterschiedlichen Quellen zu erreichen. Das stellt nicht zuletzt die Personalentwicklung vor große Herausforderungen. Der Berliner Unternehmensberater Lutz Klaus (Marketing-ROI Consulting, www.marketing-roi.eu) geht dem in einem neuen Buch „Data-Driven-Marketing und der Erfolgsfaktor Mensch“ auf den Grund. Im Gespräch mit mir fasst er die Erkenntnisse seiner lang andauernden Studie zusammen. 

Lutz, Du sprichst in Deinem Buchtitel vom Erfolgsfaktor Mensch im datengetriebenen Marketing. Gegenthese: Gerade im Datenbusiness treffen Maschinen die besseren und erfolgreicheren Entscheidungen. 

Es geht zunächst einmal nicht darum Mensch und Maschine als Alternative dazustellen, sondern die Maschine als Hilfsmittel. Angesichts der Datenmengen und gestiegenen Komplexität durch eine Vielzahl an Kanälen kann Erfolg nur im Zusammenspiel von beiden erfolgen. Maschinen setzen keine Ziele, sondern der Mensch macht das und er definiert auch Entscheidungsregeln, die von den Maschinen umgesetzt werden. 

Zalando sieht das offenbar anders. Das Unternehmen hat eine ganze Menge Mitarbeiter entlassen, weil künstliche Intelligenz inzwischen Onlinemarketing effizienter betreibt. Wo ist da das Zusammenspiel? 

Guter Punkt. Wahr ist, dass bestimmte Aufgabenbereiche besser über Maschinen, in dem Fall KI und Algorithmen, gelöst werden. Dazu kann beispielsweise die Platzierung von Online-Werbung gehören. In der Autoindustrie wurde auch viel automatisiert und dennoch arbeiten heute sehr viele Menschen dort. Die Aufgaben ändern sich und deswegen ist es wichtig, dass die Mitarbeiter verstehen, welche Auswirkungen die Digitalisierung und datengetriebene Ansätze auf sie haben. Aktive Gestaltung ist hier gefragt. Zalando hat ja auch gleich angekündigt eine weitaus größere Zahl an Mitarbeitern zu suchen, die sich um Personalisierung, Lokalisierung und Content kümmern. 

Wo siehst Du Bereiche, in denen der Mensch im Data-Driven Marketing zum Erfolgsfaktor wird? 

Daten haben zunächst mal keinen Wert. Sie müssen aufbereitet werden und in Beziehung gebracht werden zu Zielen. Das kann erst mal nur der Mensch. Zu Anfang geht es beim Data-Driven Marketing oftmals um Prozess-Optimierung, zum Beispiel bei der Customer Journey. Diese gilt es zu verstehen und dann anhand von Daten Optimierungansätze zu bestimmen und umzusetzen. Im zweiten Schritt geht es bei Unternehmen oftmals um Geschäftsmodelle, die aufgrund von Datenerkenntnissen geändert werden. Auch das erledigt keine Maschine. Hier sind menschliche Fähigkeiten wie Neugier, Kreativität und Unternehmergeist gefragt. 

Einspruch: Beziehungen kann eine Maschine meines Erachtens besser entdecken als ein Mensch. Wo ich zustimmen würde: Die Maschine erkennt Relationen, aber keine Kausalitäten. Ob die aufgedeckten Zusammenhänge tatsächlich Ursache und Wirkung darstellen, kann nur der Mensch ergründen – trifft es das? 

So würde ich das nicht ausdrücken. Wenn wir über Treibermodelle sprechen kann eine Maschine auch Kausalitäten entdecken, zum Beispiel bei fortgeschrittenen Marketing Mix Modeling Lösungen. Dies erfolgt jedoch in der Regel auf der Basis von menschlichen Vorgaben, das heißt Treiber werden identifiziert und in die Modelle integriert. Der Mensch gibt die Regeln vor und die Maschine setzt sie um. 

In Deinem Buch sind Neugier und Unternehmergeist zwei von sieben Kernkompetenzen. Kreativität, die dritte, finde ich vor allem in Deinem Plädoyer für "Storytelling". Über welche Stories sprechen wir hier? 

Bei Storytelling ist weniger Kreativität gefragt als vielmehr die Kenntnis, wie ich eine gute Story aufbaue. Hier geht es darum, Menschen zu bewegen. Emotionen sind stärker als Fakten. Denk mal an die Sendung „Höhle der Löwen“, wo immer erst eine Story erzählt wird. Im Gegensatz zu „Pretty Woman“ und „Disney“ unterscheiden sich Data-Stories in zwei Bereichen: Es gibt nicht immer ein Happyend und sie dienen mehr der Entscheidungsfindung und beinhalten weniger eine abgeschlossene Geschichte. 

Und wie unterstützt mich das beim Data-Driven-Marketing? 

Indem ich Erkenntnisse aus Daten in eine Sprache übersetze, die andere verstehen und erkennen, dass gehandelt werden sollte. Viele Entscheider sind keine Datenexperten. Geschichten helfen dabei, sie zu erreichen. 

Das klingt für mich nach der Position eines "Product Owner", der die Sprache der Analytics einerseits in Anforderungen an die IT, andererseits in Prozessdefinitionen für das Unternehmen übersetzt. Bezieht sich darauf auch Dein Verweis darauf, dass "Agilität steigern" eine Schlüsselressource darstellt? 

Es ist mehr als das. Wichtig ist, den Menschen hinter den Daten zu sehen und was die Ursache für Ausreißer und ungewöhnliche Entwicklungen ist. „Agilität steigern“ bezieht sich mehr auf die Umsetzung von Ideen und die Reaktionszeit, um auf sich ändernde Marktgegebenheiten zu reagieren. Unternehmen sollten eine Umgebung aufbauen, in der sie Ideen schnell testen, Ergebnisse messen und Erkenntnisse dokumentieren und umsetzen können. Im Buch wird das näher beschrieben. 

Welche der von Dir herausgearbeiteten Kompetenzen bzw. Ressourcen ist Deiner Erfahrung nach am wenigsten verbreitet? 

Das kann je nach Unternehmen unterschiedlich sein. Die Kernaussage im Buch ist, dass es nicht ein bestimmter Aspekt ist, sondern der Aufbau von Kompetenzen in allen sieben Bereichen. Der Mix macht es. 

Wie können Leser mit den Erkenntnissen aus Deinem Buch konkret an ihren Unternehmen arbeiten? 

Die sieben besprochenen Schlüsselfaktoren und Kernkompetenzen sind eine Orientierungshilfe für Fach- und Führungskräfte was in Zukunft wichtig ist. Die Leser können sich hinterfragen, wo genau sie gegebenenfalls Defizite haben, an denen sie arbeiten sollten. Beispiele und Tipps aus der Praxis geben ihnen konkrete Hilfestellung bei der Umsetzung. Ein Kapitel widmet sich beispielsweise der analytischen Kompetenz. Was heißt das genau? Nicht jeder soll (und wird) ein Data Scientist werden, aber er sollte grundlegende Kenntnisse haben, um Sachverhalte datengestützt bewerten zu können. Dazu gehört die Fähigkeit, die richtigen Fragen zu stellen, einerseits um Antworten auf Basis von Daten zu bekommen, andererseits um datengestützte Projekte und Initiativen bewerten zu können und die richtigen Entscheidungen zu treffen. 

Vielen Dank, Lutz!