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Seidenstrasse 2.0 – Crossborder E-Commerce nach China

Einkaufen in Zukunft. Ein Gastbeitrag von Torsten Waack van Wasen und Dr. Dirk Seifert

Der E-Commerce steht regelmäßig im Zentrum gesellschaftlicher Debatten. Das ist ein gutes Zeichen, denn es zeigt: Die Branche bewegt. Deshalb hat der bevh Wissenschaftler, Politiker und Verbände gefragt, wie sie den E-Commerce sehen. Dabei lassen wir selbstverständlich auch diejenigen zu Wort kommen, die nicht unserer Meinung sind und laden alle Leser dazu ein, die Beiträge kritisch zu kommentieren. Der bevh wird zudem auf Grundlage der Beiträge ein Thesenpapier erarbeiten, das nach Abschluss der Reihe die Beiträge aufnimmt. Bis dahin können Sie im September und Oktober jede Woche Dienstag im Rahmen unserer Beitragsreihe „Einkaufen in Zukunft“ lesen, was andere über den E-Commerce denken.

Heute mit Torsten Waack van Wasen, Managing Director Retail/E-Commerce von Alvarez & Marsal Corporate Solutions Europe, und Dr. Dirk Seifert, Handels- und Fast-Moving-Consumer-Goods-Experte im Bereich Retail und E-Commerce in Asien.

Die chinesischen E-Commerce-Marktplätze internationalisieren sich. Für europäische Unternehmen bringt das mittelfristig eine starke Konkurrenz auf den heimischen Märkten. Gleichzeitig bietet die Öffnung aber bereits heute ganz neue Chancen. Statt darauf zu warten, dass Giganten wie Alibaba nach Europa kommen, sollten Unternehmen die Gelegenheit ergreifen, ihre Absatzmöglichkeiten in China online auszuweiten. Die Zeit dafür ist günstig.

China hat die USA als größte E-Commerce Nation überholt. Das betrifft den Gesamtumsatz, aber auch die Skalierbarkeit des Geschäftsmodells. Am wichtigsten chinesischen Einkaufstag, dem 11.11., wurde alleine auf den Alibaba Plattformen ein Online-Umsatz von umgerechnet 5,75 Milliarden Dollar generiert, im Vergleich zu 2,5 Milliarden Dollar am Cyber Monday, dem stärksten Online Einkaufstag während der Thanks Giving Festivitäten, im gesamten US Onlinemarkt.

Gekauft werden nicht nur chinesische Waren. Im Gegenteil. Crossborder E-Commerce ist bei den chinesischen Verbrauchern gelernt und westliche Marken sind sehr beliebt.

Schon heute sind ein Drittel der online getätigten Modekäufe internationale Textilmarken und knapp 60% internationale Marken sind es im Bereich Unterhaltungelektronik.

Darauf reagieren auch die Bezahlsysteme. So setzt das größte chinesische Kreditkarten Unternehmen „Unionpay“ auf diesen Trend und hat gerade eine eigene Plattformen an den Start gebracht, die es Kunden in China ermöglicht, global Marken und Produkte in internationalen Shops online zu kaufen und sich nach Hause liefern zu lassen.

Der Markt ist deshalb für europäische Unternehmen äußerst attraktiv, der Markteintritt allerdings nicht einfach. Das beginnt mit dem Markt- und Kundenverständnis. So erweckt das zu offensive Anpreisen der Ware bei den Verbrauchern eher Misstrauen, während Rezensionen und den Social Networks wie weibo (das chinesische Twitter) oder kaixin (das chinesische Facebook) eher vertraut wird.

Das betrifft aber auch Markteintrittsbarrieren administrative Hindernisse sowie die komplizierten Regelungen in Bezug auf Direktinvestitionen. Ohne ICP-Lizenz ist z.B. der Betrieb eines Online-Shops rechtlich untersagt. Das Anmeldeverfahren ist relativ komplex, was damit beginnt, dass viele Dokumente nur in Landes-sprache erhältlich sind. Ein einfacherer Weg, der mit wesentlich weniger Risiko und Kapitalbedarf verbunden ist, wäre der Einstieg über Crossborder E-Commerce.

Die Plattformen sind vorhanden. Da ist zunächst Alibaba. Der E-Commerce-Gigant ist zur Zeit nicht nur dabei, den eigenen Marktplatz zu internationalisieren, sondern auch sehr aktiv, das Angebot von europäischen Marken und Produkten auf TMALL auszubauen. Arvato Systems hat mit seinem chinesischen Ableger TMALL dabei die letzten Jahre begleitet und die ersten europäischen Marken auf TMALL integriert.

Der absolute Umsatz ist noch nicht gewaltig aber die Wachstumsraten sind es. Viel wichtiger, Alibaba beweist ein verlässlicher Partner zu sein, mit dem man skalierbare Prozesse in China etablieren kann. Wir sollten also nicht alleine auf den Markteintritt der chinesischen Plattformen in Europa nachdenken, sondern auch, wie man Kunden in China erreichen kann. Ein Markt, der nicht erst in Zukunft, sondern schon heute mit Sicherheit für Unternehmen aus Europa spannend ist.

Mit dem Börsengang von Alibaba ist in der Zwischenzeit auch die Erkenntnis eingetreten, dass neben dem Online-Giganten mit seinen zahlreichen Tochterunternehmen (TaoBao, TMall etc..) in den letzten Jahren in China weitere gigantische digitale Marktplätze etabliert wurden. JD.com ist nur ein Beispiel. Bereits 2012 hat das Unternehmen die Milliardengrenze im Umsatz übersprungen, ist in der Zwischenzeit in über 25 Ländern in Asien aktiv und ist im Februar diesen Jahres ebenfalls in die New York an die Börse gegangen. Ganz zu schweigen vom virtuellen Supermarkt Yihaodian, an dem sich Walmart mit 51% beteiligt hat.

Fallstricke für diese Vorgehensweise ist das Verständnis der digitalen Regularien und besonderen Anforderungen an das Fulfillment. Alipay ist hier der beliebteste Zahlweg und in den Mittel- und Unterzentren müssen lokale Kurierdienste eingebunden werden. Hier sollte man einen Partner wählen, der seit vielen Jahren im Markt aktiv ist und der einen Mix aus westlichem Geschäftsverständnis und einem lokalen Team an den Start bringt.

Wie es funktionieren kann zeigen schon heute Samsonite und Sephora. Weitere Unternehmen sollten folgen.