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Scoring im Handel - bevh unterstützt Studie des ZEW

verfasst von Sebastian Schulz

Ob Zufall oder nicht. Gleich zwei heute veröffentlichte Studien (unterschiedlicher Herkunft!) beschäftigen sich mit dem Thema Kauf auf Rechnung. Die eine, die des ECC Köln, unterstreicht abermals und zu Recht den Stellenwert dieses Bezahlverfahrens im deutschen Online- und Distanzhandel. Nach Erkenntnissen des ECC bewerten 63% der befragten Verbraucher allein bei der Frage einer etwaigen Rückabwicklung des Kaufvertrages den KaR als "sehr gut". Zur Erinnerung: Ausweislich der letzten Konsumentenstudie des bevh für das Jahr 2013 wurden ca. 40 % des erzielten B2C-Umsatzes von rund 50 Mrd. EUR über Rechnungskauf abgewickelt.

Die zweite Studie wurde im Auftrag des Verbandes "Die Wirtschaftsauskunfteien" durch das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und die Uni Oldenburg erarbeitet. Unter dem Titel "Scoring im Fokus: Ökonomische Bedeutung und rechtliche Rahmenbedingungen im internationalen Vergleich" werden sowohl die volks- und betriebswirtschaftliche Dimension des Kreditscorings als auch die rechtlichen Rahmenbedingungen hierzulande und im Vergleich mit Staaten wie Australien, UK, USA und Frankreich beleuchtet.

Der bevh unterstützt die Studie und die darin getroffenen Aussagen ausdrücklich. Der Kauf auf Rechnung ist ein v.a. deutsches Erfolgsmodell. Bieten Unternehmen dieses Bezahlverfahren nicht an, ist die Quote der Kaufabbrecher signifikant erhöht. Um allerdings den Verbrauchern dieses Bezahlverfahren, das einer entgeltfreien Vorleistung gleichkommt, anbieten zu können, sind Handelsunternehmen auf belastbare Informationen ihrer Partner angewiesen. Die hinter diesen Informationen stehenden Verfahren der Scorewertbildung sind damit nicht nur für die Unternehmen sondern letztlich gerade auch für den Verbraucher nützlich und notwendig. Würde man die Zulässigkeit solcher Verfahren abermals beschränken, so wie es hinter den Kulissen in Berlin immer wieder diskutiert wird, könnte auch aufgrund anderer gesetzlicher Vorgaben, etwa Pflichten zur Risikominimierung in den Unternehmen, der Kauf auf Rechnung nicht mehr angeboten werden. Leidtragende wären Händler und Verbraucher gleichermaßen.

Auch die Verfasser kommen in der Studie zu eindeutigen Ergebnissen, ich zitiere:

Ökonomische Bedeutung 

  1. Informationen über (potenzielle) Kreditnehmer und ihre Verdichtung zu Credit Scores verbessern erheblich die Prognose der Krediterfüllung von Geld- und Warenkrediten. Je detaillierter und umfangreicher diese Informationen sind, desto stärker verbessert sich die Prognose. Umgekehrt führt eine Einschränkung der Informationsbasis (z. B. durch Verbot der Nutzung von Positivdaten) zu einer signifikant schlechteren Einschätzung der Krediterfüllungswahrscheinlichkeit.
  2. Die Verwendung von scorerelevanten Informationen und Credit Scores führt bei Kreditgebern zu höheren Anteilen von guten Kreditrisiken und entsprechend geringeren Anteilen von schlechten Kreditrisiken im Gesamtportfolio.
  3. Darüber hinaus erhöht die Verfügbarkeit von kreditnehmerbezogenen Informationen und Credit Scores die Zahlungsmoral der Kreditnehmer, so dass die Krediterfüllungswahrscheinlichkeit auch aus einer gesamtwirtschaftlichen Perspektive zunimmt. Als Konsequenz wird das gesamtwirtschaftliche Kreditvolumen durch die Verfügbarkeit von kreditnehmerbezogenen Informationen und Credit Scores erhöht.
  4. Die Nutzung von scorerelevanten Informationen und Credit Scores senkt das Risiko von Banken und erhöht ihre Profitabilität deutlich. Die verbesserte Risikoeinschätzung führt dazu, dass Banken auch bislang von einer Kreditvergabe ausgeschlossenen Gruppen Kredite anbieten. Vor allem in Regionen mit niedrigem Einkommen werden die Kreditversorgung und die Wirtschaftsleistung dadurch verbessert.
  5. Im Online- und Versandhandel erleichtert die Verwendung von Credit Scores die Möglichkeiten, den Kunden in Echtzeit bequeme Wege der Bezahlung anzubieten, wie etwa Zahlung auf Rechnung, Ratenkauf und digitale Bezahlwege. Auch in Branchen wie Energieversorgung und Telekommunikation findet das Credit Scoring Anwendung.  

 

Rechtliche Bewertung des Scorings 

  1. In das Bundesdatenschutzgesetz wurden im Jahr 2009 mit § 28a BDSG (Übermittlung von Daten an Auskunfteien) und § 28b BDSG (Scoring) besondere Vorschriften für das Kreditscoring eingefügt. Der Gesetzgeber hat damit ein klares Bekenntnis für diese Form der Bewertung der Erfüllungswahrscheinlichkeit abgelegt, die im Interesse sowohl der Wirtschaft als auch der Betroffenen liegt. Geklärt ist damit auch, dass das Kreditscoring und die damit verbundenen Übermittlungen personenbezogener Daten rechtlich zulässig sind.
  2. Die rechtswissenschaftliche Literatur und die Rechtsprechung lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass das Kreditscoring im Interesse der Volkswirtschaft, der kreditgewährenden Unternehmen und der Verbraucher selbst ein wertvolles und unverzichtbares Verfahren darstellt. So entschied auch der Bundesgerichtshof zuletzt 2011, dass die Erteilung von zutreffenden Bonitätsauskünften für eine funktionsfähige Wirtschaft von erheblicher Bedeutung ist. Auch der EuGH hat schon 2006 die wichtige Rolle des Kreditinformationswesens anerkannt.
  3. Im europäischen Recht ist die verantwortungsbewusste Kreditvergabe unter Beurteilung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers in der Verbraucherkreditrichtlinie verankert. Der deutsche Gesetzgeber hat in Umsetzung der Richtlinie § 18 Abs. 2 KWG in das Kreditwirtschaftsgesetz eingefügt, der die Prüfung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers vor Kreditvergabe zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Kreditwesens, aber auch zum Schutz der Verbraucher vor Überschuldung zwingend vorschreibt. Dementsprechend enthält auch das Bürgerliche Gesetzbuch mit dem neuen § 509 BGB eine Pflicht von Handelsunternehmen zur Prüfung der Kreditwürdigkeit von Kunden vor Abschluss eines Darlehensvertrages oder eines Vertrages mit Finanzierungshilfen.
  4. Entsprechende rechtliche Vorschriften finden sich nicht nur in Europa. Auch in Australien und in den USA geht die Rechtsordnung davon aus, dass eine verantwortliche Kreditvergabe auf Auskünfte von Auskunfteien zurückgreift.
  5. Nach deutschem Datenschutzrecht ist das Kreditscoring grundsätzlich zulässig. Es wird seit der Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes nun detailliert festgelegt, unter welchen Voraussetzungen Negativdaten an eine Auskunftei übermittelt werden dürfen und welche Positivdaten diese Auskunfteien bei einer Scoreberechnung nutzen dürfen. Die Aufsichtsbehörden haben sich vergewissert, dass der Berechnung wissenschaftlich anerkannte Methoden, die ein anerkanntes Betriebsgeheimnis der Auskunfteien sind,  zu Grunde liegen. Die Betroffenen haben umfassende Auskunfts- und Berichtigungsrechte. Die Auskunfteien sorgen ihrerseits für Transparenz über die Datenarten und geben auf Anfrage einmal im Jahr kostenlos Auskunft über die bei ihnen gespeicherten Daten, die im Übrigen ständig aktuell gehalten und nach Ablauf von Speicherfristen gelöscht werden.
  6. Das Bundesdatenschutzgesetz erklärt mit § 28b Nr. 3 BDSG die Nutzung von Anschriftendaten ausdrücklich für zulässig, wenn weitere wesentliche Score-Parameter berücksichtigt werden und die betroffene Person darüber informiert wird.
  7. Bemerkenswert ist, dass das deutsche Recht im internationalen Vergleich mit § 34 Abs. 4-8 BDSG besonders weitgehende Auskunftsrechte gewährt. Unentgeltlich kann jeder Betroffene einmal im Jahr Auskunft über den aktuellen Scorewert, dessen Verwendung und Zustandekommen und die zu Grunde liegenden Daten Auskunft verlangen. In Großbritannien und in den USA wäre dies mit erheblichen Kosten für den Auskunftssuchenden verbunden. Ob die Datenschutzvorschriften eingehalten werden, wird von zuständigen deutschen Aufsichtsbehörden für den Datenschutz kontrolliert.
  8. Die 2009 erfolgte Verschärfung des Datenschutzrechts zum Scoring gewährleisten die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen noch intensiver als vorher. Die Kreditinstitute, Handelsunternehmen und Auskunfteien haben sich auf die neue Rechtslage inzwischen eingestellt. Insgesamt ist festzustellen, dass es in Deutschland auch im Vergleich zu anderen Staaten ein gesetzliches Regelwerk gibt, das die Interessen der Volkswirtschaft, der Kreditinstitute und der Auskunfteien berücksichtigt und den Verbrauchern einen hohen Schutz vor Überschuldung bei gleichzeitiger umfassender Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte gewährleistet. Aus datenschutzrechtlicher Perspektive erfolgt mit den jetzigen Regelungen ein Schutz der Betroffenen auch im internationalen Vergleich auf sehr hohem Niveau Eine weitere Verschärfung des deutschen Rechts oder gar ein Verbot der Wahrscheinlichkeitsberechnung stünde nicht nur den Interessen von Kreditgebern und Unternehmen entgegen, sondern hätte auch für Verbraucher als Teilnehmer am Wirtschaftsgeschehen erhebliche Nachteile.

Die vollständige Studie steht hier zum Download bereit.