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Qualifikation im E-Commerce: Mehr Möglichkeiten als angenommen

verfasst von Martin Gross-Albenhausen

E-Commerce kann man lernen. Selbstverständlich, wer wollte daran zweifeln. Aber es ist immer wieder beeindruckend zu sehen, dass auch Kolleginnen und Kollegen, die (in eigenen Worten) in das Thema E-Commerce "hineingeworfen" werden, innerhalb weniger Monate ein so gutes Verständnis für die Zusammenhänge von E-Commerce-Prozessen erwerben, dass die Lücke zu Digital Natives und Pureplay-Mitarbeitern sich schließt. Bis zu dem Punkt, dass die Grenzen des tradierten Geschäfts ihres Herkunftsbetriebes eben nicht mehr die Perspektive für Geschäftsmodelle einschränken.

Gestern habe ich wieder einen Jahrgang des „Zertifizierten E-Commerce Managers“ geprüft – eine Fortbildung, die von der Rid-Stiftung ins Leben gerufen wurde und vom bevh von Anfang an als Zertifizierungspartner begleitet wird. Nicht nur bevh-Mitgliedsunternehmen, sondern renommierte Hersteller, Verbundgruppen oder Filialunternehmen, aber auch kleine und mittlere stationäre Händler nutzen inzwischen diese Möglichkeit, Mitarbeitern über 10 Monate eine solides Fundament im E-Commerce zu geben. (Bis Ende März läuft die Ausschreibung für den nächsten Jahrgang – wenn Sie Interesse haben, können Sie sich hier informieren und hier anmelden.)

Weit weniger selbstverständlich ist, dass man E-Commerce überhaupt "lehren" kann. Denn es geht um Fertigkeiten in einer Disziplin, die sich innerhalb von 18 Monaten neu erfinden kann. Und deren Wissen eine Halbwertszeit von weit unter 10 Jahren hat. E-Commerce ist kein Fach, das auf Lehrbücher und Standardwerke vertrauen könnte.

Aber der Kanon des E-Commerce-Wissens ist inzwischen so differenziert, dass man sogar Ausbildung in unterschiedlichen Niveaus anbieten kann:

  • Die kaufmännische Erstausbildung im E-Commerce, die der bevh gemeinsam mit den großen Verbänden des Einzel- und Großhandels, des Tourismus und der herstellenden Industrie einführt, befähigt bereits dazu, einen Shop zu betreiben. Inklusive Neukunden-Akquisition, Kundenbindungsmaßnahmen, dem Verständnis für Schnittstellen, Besonderheiten des Einkaufs und der Organisation der Abwicklung (von der Bezahlung über den Service bis zur Logistik).
  • Fortbildungen wie der Zertifizierte E-Commerce-Manager begeistern die Absolventen aufgrund der hohen Praxisnähe. Die Teilnehmer stehen im Beruf und unterlegen die tägliche Praxis mit einem Fundament, das ihnen hilft, besser (effizienter und effektiver, strategischer und nachhaltiger) zu agieren. Nicht selten stellen die Absolventen fest, dass Schwerpunkte in der Vergangenheit falsch gelegt oder wichtige Details falsch eingeschätzt wurden. Viele, aber nicht alle der Teilnehmer haben ein Hochschulstudium absolviert.
  • Es gibt erste duale Hochschulausbildungs-Angebote. Der bevh ist beispielsweise ebenfalls Partner der „Digital Business School“ der privaten Steinbeis-Hochschule (eine Initiative unseres Preferred Business Partners dotSource). Hier können die Absolventen im Rahmen der Ausbildung sog. Credit-Points sammeln, die auf Bachelor-Studien an der Hochschule angerechnet werden. Entsprechend müssen die Kandidaten hier Prüfungen durchlaufen, die weniger am entsendenden Unternehmen ausgerichtet sind, sondern einen Vergleich zwischen den Studenten erlauben. Auch hier verblüffen die Entwicklungen, die die Absolventen im Jahresverlauf nehmen.
  • Schließlich gibt es noch Hochschul-Lehrstühle, die in E-Commerce ausbilden. Bekannt ist hier die FH Wedel mit einem von OTTO gestifteten Lehrstuhl. Aber auch u.a. in Rostock, Worms oder Hof kann man mit starkem Bezug auf E-Commerce studieren. Jede dieser Hochschulen bzw. Universitäten setzt dabei eigene Schwerpunkte. 

Nicht vergessen werden sollte, dass es eine Vielzahl von einzelnen Seminaren und Praxis-Fortbildungen gibt. Der bevh selbst ist da mit seiner .EXE-Konferenz und den Angeboten der bevh-Academy dabei.

Heißt also: Deutschland bietet inzwischen eine breite Palette an Ausbildungsmöglichkeiten im E-Commerce. Dennoch ist der Weg zur richtigen Qualifikation für Interessenten alles andere als einfach – für die Studenten nicht, aber auch nicht für die Unternehmen. Genau das aber ist wichtig, denn die Weiterbildung bildet nach Einschätzung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) eine Grundlage, damit Deutschland nicht durch zu zögerliche Transformation in Rückstand gerät. Am Dienstag hat das BMAS die Halbzeitkonferenz in seinem Dialogprozess „Arbeiten 4.0“ veranstaltet. Der bevh nimmt an diesem Prozess, der im Herbst in ein Weissbuch münden wird, aktiv teil. 

Aus diesem Grund wird der bevh im kommenden Juni einen „Fachkräfte-Tag“ veranstalten, in dessen Rahmen zweierlei entstehen soll: Zum einen begutachten wir die bestehenden Ausbildungswege, zum anderen spiegeln wir diese am sich ändernden Bedarf. Ziel ist, den Unternehmen darauf aufbauend in einer Art Atlas das Spektrum der möglichen Ausbildungswege aufzuzeigen. Dadurch können die Händler die eigenen „Potentials“ dort weiterentwickeln, wo die Studieninhalte dem Bedarf am nächsten kommen.