Im Jahr 2021 haben 45.000 kleine und mittlere Amazon-Händler aus Deutschland 750 Millionen Artikel in die ganze Welt verkauft. Wenn ich in dieser Liga mitspielen möchte, brauche ich neben einem gesuchten Produkt und einem professionellen Marketing auch ein funktionierendes Controlling. Dabei sprechen wir längst nicht mehr nur von einer Überwachung des Sortiments und eine Steuerung der Margen. Erfolgreiche Amazon-Händler behalten mit einem modernen Controlling auch die Total Cost of Ownership im Blick und erhalten wertvolle Kennzahlen, um die richtigen Entscheidungen für ihr Unternehmen zu treffen.
In drei Schritten von einer sauberen Buchhaltung zum professionellen Controlling
Auch wenn sie vielen Online-Händlern nur ein gequältes Lächeln entlockt: die Grundlage für ein funktionierendes Controlling ist eine saubere Buchhaltung. Richtig gemacht, ist sie nicht nur das genaueste System in meinem Unternehmen. Im Gegensatz zum Amazon-Dashboard – auf das nur ich zugreifen kann und das auch nur ich verstehe – kann aus einer sorgfältigen Buchhaltung auch mein Steuerberater wertvolle Kennzahlen ableiten und mir geeignete Maßnahmen empfehlen.
Schauen wir uns ein typisches Beispiel aus dem Online-Handel mit Amazon an:
Im ersten Schritt kümmern wir uns um die Erlöskontierung. Hier möchte ich einfach gesagt wissen, ob alle Rechnungen richtig erstellt wurden. Dazu überprüfe ich zum Beispiel die angegebenen Steuersätze auf ihre Gültigkeit oder kontrolliere, ob ich in einem Land die Lieferschwelle erreicht habe. Verbuche ich dann die Erlöse mit detaillierten Kontierregeln nach Lieferland und Steuersatz, erhalte ich bereits einen ersten Überblick.
Im zweiten Schritt nehmen wir die Zahlplattformen unter die Lupe – in unserem Beispiel also Amazon. Dank der Settlement Reports können wir hier die offenen Posten ausziffern. Bei rund 160 verschiedenen Gebührenarten allein in Amazon, ist es nicht übertrieben, wenn selbst kleine und mittlere Online-Händler bereits an dieser Stelle von Controlling sprechen…
Im dritten und letzten Schritt entstehen aus der Buchhaltung heraus die Zahlen für die Meldung sowohl des OSS als auch der Umsatzsteuer im nicht-europäischen Ausland. Dieser Prozess versetzt mich in die Lage, einem Betriebsprüfer jederzeit erklären zu können, welche Belege in die Steuer und die einzelnen Steuerbeträge eingeflossen sind. Ein gutes Gefühl! Gleichzeitig liefert ein solcher Buchhaltungsprozess wichtige Daten für ein funktionierendes Controlling.
Die Rolle der internen Kontrollsysteme im E-Commerce
Seien wir doch mal ehrlich: Der Onlinehandel, und speziell der E-Commerce auf Amazon, verändert sich so schnell, dass wir es kaum schaffen, mit allen Neuerungen Schritt zu halten. Das macht die Buchhaltung besonders anspruchsvoll – nicht nur für Onlinehändler, sondern selbst für Steuerberater.
Wie gut, dass es Sicherungen gibt, die uns wie eine Firewall vor größeren Schäden bewahren können: die internen Kontrollsysteme, kurz IKS. Sie prüfen quasi im Hintergrund, ob die Daten in der Buchhaltung vollständig und plausibel sind. Ein einfaches und dennoch wirkungsvolles IKS lässt sich bereits mit Excel gestalten. Es kommt dann vor allem darauf an, dass ich diese Qualitätssicherung automatisiert in meinen Prozess integriere. Und schon leuchtet bei Differenzen auf meinem Amazon-Verrechnungskonto, sechs Monate alten offenen Posten oder Lücken in den Rechnungsnummern ein „rotes Lämpchen“ auf.
Wieso ist eine detaillierte Kontierung im E-Commerce so wichtig?
Wie bereits erwähnt, stoßen wir allein bei Amazon auf über 160 unterschiedliche Gebühren. Doch damit nicht genug: Auch auf der Einnahmenseite bekommen wir es mit einer großen Artenvielfalt zu tun, von Erstattungen der Verkaufspreise über Versandkosten bis hin zu Schadenersatz. Wächst mein Onlinehandel, verliere ich hier schnell den Überblick. Um das zu vermeiden, kann ich die jeweiligen Transaktionsarten separat verbuchen. Dabei helfen uns individuelle Kontierregeln, die den Settlement Report von Amazon auslesen, die richtigen Gebühren- und Erlösarten erkennen und die Transaktionen entsprechend gruppieren. Erfasse ich bei der Verbuchung zusätzlich noch die Order-ID, kann ich per Power-BI sogar ermitteln, mit welchem Artikel ich wieviel Geld verdient habe. Gegebenenfalls könnte ich sogar fehlerhafte Belastungen durch Amazon aufdecken und mir diese möglicherweise rückerstatten lassen.
Die BWA – der Hidden Champion des Controllings
Die Betriebswirtschaftliche Auswertung: Die meisten Online-Händler wissen, dass es sie gibt, doch nur wenige nutzen sie. Diesen Fehler sollten wir nicht begehen. Denn die BWA ist eines der effektivsten Instrumente, um die Ertragslage meines Unternehmens zu beurteilen. Stimme ich bereits meine Buchhaltung auf die spätere Auswertung ab, erhalte ich auch im laufenden Tagesgeschäft betriebswirtschaftliche Kennzahlen zum aktuellen Zustand meines E-Commerce.
Visualisierung mit Power BI
Power BI ist eine Anwendung von Microsoft®, um Daten zu analysieren und grafisch darzustellen. Im Controlling eignet sich Power BI sehr gut dafür, um Werte aus verschiedenen Quellen automatisiert abzurufen und in unserem eigenen Dashboard zu visualisieren.
Als Online-Händler auf Amazon kann ich zum Beispiel die folgenden Kennzahlen auswerten:
- Netto-Umsatz
- OSS Meldungen / Cross Border Sales
- Lokale Meldungen / Domestic Sales
- DB I, DB II, DB III
- Eindeutige Bestellungen nach Land
- Durchschnittliche Zeit Order => Shipped
- Bestellaufkommen nach Uhrzeit und Wochentag
- Conversionrate
- Herkunft der Bestellung
- Marketingkosten
- Lagerkosten
- Sonstige Gebühren
- Pick&Pack Kosten Amazon
- etc.
Durch die Visualisierung in Power BI können wir vor allem bei großen Datenmengen signifikante Veränderungen auf einen Blick erkennen. Außerdem sind wir in der Lage, gezielte Analysen in Echtzeit durchzuführen, um konkrete Fragen zur Entwicklung unseres E-Commerce fundiert zu beantworten. Wir beschleunigen also auch unsere Entscheidungsfindung und Reaktionsfähigkeit.
Was haben wir aus unserem Beispiel gelernt?
Will ich als Online-Händler langfristig erfolgreich sein, brauche ich ein funktionierendes Controlling. Das Amazon-Dashboard allein reicht hierfür jedoch nicht aus. Entscheidend ist ein professioneller Prozess, der mit einer sauberen Buchhaltung beginnt, durch interne Kontrollsysteme abgesichert ist und am Ende zu einer aussagekräftigen BWA führt. Mit einer detaillierten Kontierung und einer visuellen Auswertung kann ich dann in Echtzeit die Kennzahlen meines E-Commerce analysieren und schnell die richtigen Weichen stellen. Ein permanentes Amazon-Controlling gibt mir damit automatisch wertvolle Hinweise für weiteres Wachstum.
Über den Autor:
Seit 2009 hilft Stefan Kaumeier ist Geschäftsführer von dekodi – Deutscher Konverterdienst GmbH und hilft Onlinehändlern dabei, ihre Buchhaltungsdaten automatisiert aus der Warenwirtschaft in die Finanzbuchhaltung fließen zu lassen. Doch zufrieden ist der Geschäftsführer von dekodi erst, wenn auch die Qualität der Daten stimmt. Denn Digitalisierung spart nur dann Zeit und Geld, wenn sie am Ende einer Betriebsprüfung standhält. Der Diplom-Betriebswirt (FH) und Software-Entwickler ist überzeugt: Nicht ein Tool entscheidet über das Ergebnis, sondern der Gesamtprozess.