Einkaufen in Zukunft: Ein Gastbeitrag von Dr. Jens Zimmermann, SPD Parteivorstand
Der E-Commerce steht regelmäßig im Zentrum gesellschaftlicher Debatten. Das ist ein gutes Zeichen, denn es zeigt: Die Branche bewegt. Deshalb hat der bevh Wissenschaftler, Politiker und Verbände gefragt, wie sie den E-Commerce sehen. Dabei lassen wir selbstverständlich auch diejenigen zu Wort kommen, die nicht unserer Meinung sind und laden alle Leser dazu ein, die Beiträge kritisch zu kommentieren. Der bevh wird zudem auf Grundlage der Beiträge ein Thesenpapier erarbeiten, das nach Abschluss der Reihe die Beiträge aufnimmt. Bis dahin können Sie im September und Oktober jede Woche Dienstag im Rahmen unserer Beitragsreihe „Einkaufen in Zukunft“ lesen, was andere über den E-Commerce denken.
Heute mit Dr. Jens Zimmermann, SPD Parteivorstand
Unser Kaufverhalten wird digitalisiert. Eine repräsentative Umfrage des Verbandes BITKOM stellt fest: „94 Prozent der Internetnutzer über 14 Jahre kaufen inzwischen auch im Web ein. Dies entspricht 51 Millionen Bundesbürgern.“[1] Der Schaufenster-Bummel wird ersetzt durch das Klicken und Berühren des Smartphones. Große Einkaufstaschen werden ersetzt von vielen Kartons die direkt ins Haus geliefert werden – einfach, bequem und meistens kundenfreundlich. Es liegt auf der Hand, dass der Markt wächst: Wir sind online, leben online und wir kaufen online.
Der E-Commerce-Umsatz in Deutschland steigt rasant. Laut Statista hat der Einzelhandel in Deutschland im vergangenen Jahr mit E-Commerce 38,7 Milliarden Euro erwirtschaftet.[2] Das entspricht einer Steigerung von 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im Jahr 2013 betrug der B2C-E-Commerce-Umsatz in Westeuropa laut Schätzung von eMarketer rund 308,9 Milliarden US-Dollar.
E-Commerce ist ein Wachstumsmarkt. Diese Beitragsreihe fragt nach seiner Zukunft. Die besondere Eigenschaft, dass der E-Commerce nationale Grenzen überwindet, fördert global agierenden Unternehmen. Uns allen sind die großen Namen des Online-Handels längst bekannt. Obwohl Wirtschaftswissenschaftler zunächst davon ausgingen, dass der e-Commerce zu starkem Wettbewerb und hoher Preistranzparenz führen wird, ist eine zunehmende Konzentration in vielen Bereichen zu erkennen. Für die Politik stellt sich daher die Frage, ob das "the winner takes it all Prinzip" akzeptabel sein kann. Fehlender Wettbewerb kann nicht im Interesse der Kunden liegen. Die Politik hat daher ein hohes Interesse an einem gesunden Wettbewerb in möglichst allen Bereichen des E-Commerce.
Entscheidend für die Zukunft und die weitere Entwicklung des Onlinehandels werden drei wesentliche Aspekte des Verbraucherschutzes:
1. Datensicherheit, 2. Sichere Zahlungssysteme, 3. Schutz vor Betrug-
Zweifelsohne bietet die Aggregation von Nutzerdaten und Kaufhistorien viele Möglichkeiten. Dennoch wird in Zukunft die sichere Verwahrung und Nichtweitergabe dieses Wissens über den Kunden ein entscheidendes Vertrauensmerkmal.
Viele heute übliche Zahlungssysteme stammen noch aus der pre-online Zeit. Zukünftig wird es zu einer deutlichen Erweiterung dieses Spektrums kommen. Damit ergeben sich neue, bequemere Zahlungswege, die Komplexität wird allerdings steigen. Entscheidend für Unternehmen wird hier ein vertrauenswürdiges Handling dieser Vielfalt.
Der Schutz vor Betrug wird mit der weiteren Ausbreitung und echten Internationalisierung des Onlinehandels ein weiteres, wichtiges Handlungsfeld bleiben. Allen Marktteilnehmern muss klar sein, dass wenige schwarze Schafe große Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der gesamten Branche haben können.
Die Politik wird auch in Zukunft vor allem den Rahmen des Handels regeln und Regulierung auf ein Mindestmaß beschränken. Es muss aber klar sein, dass die Politik nicht zögern wird, notwendigen Verbraucherschutz auch gesetzlich durchzusetzen.
Einen Meilenstein in der nationalen Netzpolitik liegt hinter uns: Die Verabschiedung der Digitalen Agenda für Deutschland Ende August im Bundeskabinett. In der öffentlichen Debatte wird zwar darüber gestritten. Für die Einen bleibt die Agenda hinter den Erwartungen zurück, für die Anderen ist sie der neue Kompass der Netzpolitik. Fest steht jedoch: Die Digitale Agenda ist das Bekenntnis zum digitalen Industriestandort Deutschland. Breitbandausbau, Gründerkultur, Industrie 4.0, aufgeklärte Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die digitale Teilhabe sind mit ihr festgeschrieben.
Für den E-Commerce sind es die richtigen Weichenstellungen. Die Bundesregierung forciert den Breitbandausbau: Das ist längst überfällig - der Standort Deutschland braucht die Anbindung an die Daten-Verkehrswege der Welt. Ohne Handelswege wäre bereits in der Antike der Tausch von Waren und Dienstleistungen gescheitert. Für diese effektive Nutzung der Handelswege braucht es dann in der Zukunft auch die richtigen Instrumente. Gesetze, die sie sichern: Datendiebstahl und Datenmissbrauch sind zwei der größten Risiken für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Wenn wir über Online-Kommunikation sprechen, ist Spionage die große Gefahr für die Unternehmen. Es braucht daher ein stärkeres Bewusstsein der Unternehmen und mehr Investitionen in IT-Sicherheit.
Die Förderung junger Unternehmungen und der Innovationskraft auf den digitalen Märkte sieht die Digitale Agenda ebenfalls vor: Unterstützung für neue Ideen, die Installation einer neuen Gründerkultur. Bisher natürlich nur gedruckt, in schwarz auf weiß. Denn dann beginnt der Umbau in ein digitales Deutschland.
Ein wichtiger Baustein für das Wachstum der digitalen Wirtschaft ist der Zugang zu Finanzierungsmitteln – nur dann kann Wettbewerb gewährleistet werden. Mit der EU-Verordnung zu Europäischen Fonds für Risikokapital wird Risikokapitalgebern europaweit die Kapitalbeschaffung zugunsten junger Unternehmen erleichtert. In jüngerer Vergangenheit geht es immer wieder um die Installation eines neuen Börsensegments. Gemeinsam mit der Deutschen Börse und den digitalen Unternehmen muss ausgelotet werden, wie eine Etablierung gelingen kann und welche Chancen sich für die Wachstumsfinanzierung aus dem neuen Börsensegment ergeben.
Für den E-Commerce sollten wir gemeinsam erreichen, dass wir eine zukunftsgerichtete Digitale Agenda auch in der Europäischen Union verabschieden und den digitalen Binnenmarkt entwickeln – mit harmonisierten Steuer- und Kapitalgesetzgebung. Das wird sicher kein leichter Weg. Politische Verhandlungen und die Harmonisierung innerhalb der Staatengemeinschaft benötigt Zeit. Doch bereits Brandt konstatierte die Verantwortung der Politik mit seinen Worten: „Ich warne davor, zu glauben, dass der Markt seine Umwelt alleine in den Griff bekommt – dies ist gerade ein Paradebespiel für öffentliche Verantwortung.“
Es braucht beides: Politik und Wirtschaft für ein digital erfolgreiches Deutschland. Meine Einladung gilt deshalb allen Unternehmen und Verbänden. Für die Gestaltung der Zukunft des E-Commerce und unseres digitalen Standortes die Zusammenarbeit zu beginnen, den Dialog zu suchen – nur dann können wir im internationalen Wettbewerb bestehen.
[1]www.bitkom.org/de/markt_statistik/64038_79299.aspx
[2]de.statista.com/statistik/daten/studie/3979/umfrage/e-commerce-umsatz-in-deutschland-seit-1999/