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Mobile Shopping Apps für Läden: Bindeglied oder loses Ende?

verfasst von Martin Groß-Albenhausen

Das Berliner Alexa hat eine. Der Berlin Boulevard hat eine. Das Alstertal-Einkaufszentrum hat eine.

Gemeint sind Shopping-Apps, mit denen der lokale Einzelhandel die Nutzerströme in seine Geschäfte locken will. Der Druck sinkender Produktivität lastet unvermindert auf den stationären Händlern, und nicht nur mittlere und Randlagen sind betroffen. Auch in den Zentren selbst lohnt nicht mehr jeder Quadratmeter. Dass eine Mode-Ikone wie Eickhoff in Düsseldorf seinen Laden schließt, ist ein deutliches Zeichen für den Strukturwandel, den die online-vermittelte direkte, verkürzte Beschaffungskette zwischen Hersteller und Endkunde mit sich bringt.

In Hamburg gibt es zwei lokale Initiativen, die einen Blick wert sind:

  • Productmate.de vereint bald 250 lokale Händler und setzt auf Inspiration und lokale Nähe. Die Mobile Site - keine App - sortiert die Suchergebnisse nach Entfernung zum Standort des Nutzers. Mehr nicht. Das macht allerdings durchaus Sinn: Wenn ich am Eingang der Mönckebergstraße stehe, kann ich einfach mal die Bildkacheln durchblättern und stoße vielleicht auf interessante Produkte, die ich nicht im Kopf hatte – und die in Bummel-Reichweite liegen. Als lokales Produktverzeichnis oder zum Reservieren der Stücke taugt die mobile Anwendung bislang nicht. Kann aber vielleicht noch kommen.
     
  • Yointsist ein Startup, an dem einige Bekannte mitwirken. Sarik Weber ist vielen bvh-Mitgliedern u.a. als Juror des bvh-Rising Star vertraut, und Christian Satz von Satzmedia begleitet zahlreiche Kollegen bei der Digitalisierung ihrer Print-Werbemittel. Das Startup kopiert den US-Pionier Shopkick (übrigens dort von einem Deutschen, Cyriacus Röding, gegründet) und bonifiziert potentiell jegliche Interaktion des Kunden mit dem stationären Händler: Für das Betreten eines Ladens gibt es genau so Punkte wie z.B. für das Abscannen von Produkt-Tags oder den Besuch einer bestimmten Abteilung eines Ladens. Shopkick hat inzwischen übrigens auch digitale Kataloge und Einkaufslisten ergänzt und arbeitet profitabel. Insofern könnte ein kaufDA mit Shopkick-Funktionalität oder ein Yoints mit kaufDA-Ergänzung noch mehr Reiz entwickeln.

Rabatte und Aktionspunkte wie bei Yoints gibt es freilich auch in den diversen Shopping-Center-Apps. Und: Sie funktionieren, wie mir gestern der Geschäftsführer der „Spandauer Arkaden“ berichtete. Für den einzelnen Händler, der nur eine Rabattkarte anbieten will, gibt es inzwischen Startups wie kundenapp.de oder freunderabatt.de. Und Shopgate als großer Mobile Marketplace mit gut 800 angeschlossenen Händlern deckt ebenfalls Teilfunktionen ab.

Apps werden den Händlern von vielen als Heilmittel und Kitt für die Kundenbindung versprochen. Lösen die Apps zentrale Probleme des Handels?

Problem Frequenz: Bleiben die Kunden aus, weil es keinen Anreiz mehr gibt, überhaupt in den Laden zu gehen? Dann ist Yoints – eigentlich ein Gamification-Konzept – für manchen eine Motivation, Punkte zu sammeln und gegen Prämiengutscheine einzulösen. Oder bleiben die Kunden aus, weil Sortiment und Warenverfügbarkeit nicht genügen bzw. überhaupt nicht mehr sichtbar sind? Daran ändern die Apps nur dann etwas, wenn im Umfeld genügend Ware gebündelt wird, damit ein unvorbereiteter Besuch im Laden sich für den Kunden wegen der Punkte etwas mehr lohnt.

Problem Preis/Marge: Frequenz auf Kosten der Marge macht nur dann Sinn, wenn Skaleneffekte realisiert werden können – was auf begrenzter Fläche kaum möglich ist – oder die Rabatte durch gut kalkulierte Zusatzverkäufe amortisiert werden. Gut ist aber immer nur gut aus Sicht und Kenntnis des Kunden, und der reagiert zunehmen elastischer: Um eine Veränderung seiner Organisation bzw. einer Wertaufladung seines Angebots kommt der Händler also nicht herum. Sprich: Es braucht Folge-Investitionen in die „Conversion-Optimierung“ im Laden selbst (Inszenierung, Personal etc.)

Problem Sortiment: Die meisten lokalen Sortimente sind zu klein, um dynamisch Angebote zu setzen. Die Regeln, nach denen Angebote gezogen bzw. gepusht werden, müssen jedoch (außer bei der Productmate-Stöberei) selbst wieder Relevanzkriterien folgen. Da kann man sicher vieles manuell justieren, aber damit sind diese Apps nur so gut wie diejenigen, die sie „feeden“. Je weniger relevant die Angebote hingegen sind, um so weniger Nutzen bietet die App. Das reine Addieren von Menge hilft auch nicht, wenn die App an sich nicht die nötige Funktionalität und Intelligenz mit sich bringt. Und natürlich auch eine homogene Datenstruktur, um ggf. zentral die Marketing-Funktionen erbringen zu können.

Der Mehrnutzen der Shoppingcenter-Apps ist nach meinem Eindruck bislang gering, denn entweder der Besucher hat ein Produkt vor Augen – dann reichen die Funktionalitäten im Moment für einen Zielkauf bei weitem nicht aus. Oder er will Bummeln gehen - dann ist der Mehrnutzen eines Lockangebotes auf dem Handy vs. der Schaufenster-Deko zwar noch da, aber vergleichsweise gering. In diesem Fall hat Yoints, da Center-übergreifend nutzbar, genau wie das Productmate-Konzept mehr Charme.

Für die Rabattjäger ist es natürlich ein Vergnügen, in die Läden zu gehen und Punkte zu kassieren. Das funktioniert in den USA prächtig und ist inzwischen zum Hygienefaktor geworden – große Händler „müssen“ bei Shopkick dabei sein. In den Foren werden Tipps ausgetauscht, wie man sicherstellt, auch die „Kicks“ zu bekommen (zwingend einmal die Rolltreppe benutzen z.B.). Hier kann der Händler allerdings justieren, wie oft er bestimmte Aktionen bei einem Nutzer belohnt.

Couponing funktioniert, und sicher werden die Händler durch Gutscheine, die sie auf Basis solcher Location-basierter Dienstleistungen verteilen, topline Umsätze erzielen. Aber eine Mobile App oder ein Mobiler Shop rettet kein Unternehmen, das nicht an den oben genannten Kernproblemen arbeitet. Zunächst kostet der Betrieb oder die Teilnahme Geld, für die Technologie und in Form von Margenverlust.

Eine App ohne Online-Strategie ist so nicht hilfreicher als ein isolierter Onlineshop für ein begrenztes lokales Sortiment. Auch Shopkick rettet die amerikanischen Strip-Malls nicht.

Genau hier sieht nicht zuletzt der Geschäftsführer der „Spandau Arkaden“ das große Problem: Das schwächste Glied in der Kette sei der lokale Händler, der mit der Bestandsführung und lokalen Organisation einer mobil oder daheim online angestoßenen Customer Journey überfordert sei. Und zwar nicht, weil es zu komplex wäre. Sondern weil ihm schlichtweg die Disziplin fehle, permanent Inventur zu halten, um einen sauberen Artikelbestand im Netz abzubilden.

Derweil tickt die Uhr: die nächste Kundengeneration sieht bei immer weniger Warengruppen den Bedarf an stationären Läden, die Lieferung erfolgt immer schneller, Beratung wird online immer besser, Personalisierung und „Nähe“ immer eleganter. Und die Markenhersteller mischen online munter mit und kürzen den Weg zum Kunden direkt ab.