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"Im B2B-E-Commerce befinden wir uns in den absoluten Anfängen"

Ein Interview mit Klaus Kallenbrunnen / HAIX-Schuhe, geführt von Martin Groß-Albenhausen, bevh

Am 28./29. Juni 2016 findet in Berlin der Strategiegipfel B2B E-Commerce & Omnichannel statt. Der bevh ist Partner dieses Netzwerk-Events, das vom Berliner Veranstalter Project-Networks organisiert wird. Mit dabei ist Klaus Kallenbrunnen, beim Hersteller von Sicherheitsschuhen HAIX international für das Digital Business verantwortlich. Vergangenes Jahr begeisterte er mich mit einer praktischen Einführung in die digitale Transformation eines klassischen Geschäftsmodells. Nach seinem Vortrag hat er sich damals zur Situation des B2B-E-Commerce geäußert - und weil die Gedanken noch immer anregen, hier noch einmal im Wortlaut:


Die Digitalisierung stellt Unternehmen vor große Aufgaben. Wie können Unternehmen die digitale Transformation erfolgreich schaffen? 

Kallenbrunnen: "Die digitale Transformation stellt das Bestehende in Frage und teils gänzlich auf den Kopf. Das stellt Unternehmensentscheider vor eine große Aufgabe. Es muss nicht nur personell völlig neu gedacht, sondern auch das Produkt- und/oder Dienstleistungsportfolio hinterfragt und die Prozesslandschaft auf die Probe gestellt werden.
Modelle wie das Business Modell Canvas von Osterwalder helfen nicht nur Start-Ups dabei, ihr Geschäftsmodell abzubilden, vielmehr ermöglicht es auch Schwergewichten im Markt, die Komplexität auf das Wesentliche herunterzubrechen. Ist dieser Überblick geschaffen, kann das bestehende Klischeedenken durch disruptive Hypothesen gebrochen werden. In meinem Think Tank habe ich hierfür auf das Innovation Framework der NYU Stern zurückgegriffen. Es räumt provokant mit Klischees auf und schafft eine neue Sichtweise auf Interaktion, Preis und Produkt."

Was kann B2B von B2C besonders gut lernen? Haben Sie ein Beispiel?

Kallenbrunnen: Ich sehe die Differenzierung von B2B und B2C nicht zwingend. Wenn wir den Fokus auf die Kundenreise legen, dann ist es irrelevant, ob von B2B oder B2C die Rede ist. Auf der anderen Seite des Bildschirms sitzen Menschen bzw. Nutzer, die ich gerne über mein Produkt informieren möchte. Im Zuge der Digitalisierung und der Smart Data Ära helfen uns Smart Devices und semantische Suche Unsicherheiten zu eliminieren und schneller Orientierung zu erhalten.
Genau hier muss ich als Marke mit meinen Produkten präsent sein und die Suchmuster sowie die einzelnen Stationen der Kundenreise verstehen. Das gleiche gilt auch für das Verständnis der Nutzungsmuster meiner Produkte oder Dienstleistungen. Das Stichwort lautet UX (User Experience). TESLA hat es beispielsweise durch die Digitalisierung des Produkts (Fokus auf Software und Datenerfassung durch bspw. SIM-Karten im Fahrzeug oder Datenerfassung an Ladesäulen) geschafft, vom transaktionsbasierten Produktabsatz (Nutzen des Produkts ist immer gleich) zum Product as a Service (PaaS) zu wechseln. Durch einfache Softwareupdates kann ich mein bestehendes physisches Produkt um neue Funktionen erweitern. Damit eröffnen sich völlig neue Geschäftsmodelle.
Daraus haben auch andere gelernt. John Deere bspw. steuert die Leistung der Motoren maßgeblich durch Software (Artikel im HBR vom Oktober 2015) und kann dadurch kosteneffizient Preise differenzieren. Es ist nun nur noch eine Frage der Zeit bis der Agrarökonom flexibel per App die benötigte Leistung flexibel gemäß dem Geräteeinsatz abruft und dann auch nur in dem Moment bezahlt in dem er Leistung von seinem Produkt bezieht (PaaS).

PN: Auch wenn die Differenz immer kleiner wird, wo sehen Sie eigentlich die größten Unterschiede zwischen B2B E-Commerce und B2C E-Commerce?

Kallenbrunnen: Aus meiner Historie heraus bin ich sehr konsumentenorientiert und in meiner aktuellen Position sowohl im B2B als auch im D2C (Direct to Consumer) aktiv. Wenn ich mir die Mehrheit aktueller B2B-Plattformen von außen ansehe, dann habe ich immer das Gefühl, dass wir im uns im B2B-E-Commerce noch in den absoluten Anfängen befinden. Filterfunktionen, Suchen, ein Check-Out, sowie die Darstellung von konfigurierbaren Produkten und die Attribuierung dieser werden hier als Innovationen zelebriert.
Auch wenn dies etwas überspitzt formuliert wurde, so fühle ich mich in B2B-Shops als User in der Zeit zurückgeworfen. Die enormen Datenmengen, Sonderregelungen und die Anforderungen verschiedener Stakeholder bedingen äußerst komplexe Geschäftsprozesse, auf welchen in der Regel der einzige Fokus liegt. Dies führt dazu, dass die UX, also das, was der Nutzer/Kunde direkt erfährt und sieht, leidet.
Es ist schade, dass hoch entwickelte und performante Systeme in unattraktive Oberflächen gezwängt werden. Im B2C ist dies leider viel zu oft umgekehrt. Der Fokus liegt nur auf der für den Nutzer ersichtlichen Verpackung und die Backendprozesse werden meist vernachlässigt.

Welche Praxistipps können Sie anderen Verantwortlichen für die Implementierung einer neuen B2B E-Commerce-Plattform mit auf den Weg geben?

Kallenbrunnen: Das wichtigste ist eine saubere und strukturierte Datenbasis und klar definierte Workflows mit Verantwortlichkeiten. Viel zu oft habe ich in Gesprächen mit Branchenkollegen und aus eigener Erfahrung feststellen müssen, dass die Datenpflege als notwendiges Übel wahrgenommen wird und die Aufgabe für Ordnung zu sorgen, als Schwarzer Peter von Abteilung zu Abteilung geschoben wird. Die Folge sind Insellösungen, obsolete Daten, unvollständige Inhalte, fehlende Informationen oder gar falsche Angaben. Das wieder glatt zu ziehen darf nicht unterschätzt werden, denn dabei können Dienstleister nur bedingt helfen.
Wichtig ist, alle Datenquellen und deren Abhängigkeiten zu erfassen, um zukünftig diese Informationen in einem zentralen PIM und/oder DAM/MaM zu verwalten. Damit gibt es nur noch eine zentrale Anlaufstelle für alle E-Commerce relevanten Daten ohne Dubletten. Was nicht vergessen werden darf, ist, dass auch wenn die E-Commerce-Plattform einmal mit den Grunddaten aufgesetzt und etabliert ist, die Reise mit den Daten gerade weitergeht. Kundendaten müssen in einem CRM verarbeitet werden und Webperformance-Daten der Analysesoftware müssen mit denen anderer (Marketing-)Kanäle gesammelt (Big Data), aggregiert und interpretiert (SMART Data) werden.


Beim Strategiegipfel für B2B E-Commerce und Omnichannel wird Klaus Kallenbrunnen am 28. Juni vormittags die Omnichannel-Strategie seines Unternehmens vorstellen.

Das vollständige Programm der Veranstaltung finden Sie hier.

bevh-Mitglieder erhalten bei der Teilnahme unter Angabe des Codes "VABM16" einen Rabatt von 15 % auf den regulären Teilnahmepreis.