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Hintergründe der Retourenentsorgung: Erster Beitrag zum „bevh-Wissenskompendium Retouren“ veröffentlicht

Retouren sind ein viel diskutiertes, jedoch noch weitgehend unerforschtes Feld, in dem es, wie die öffentliche Debatte der letzten Monate gezeigt hat, noch viel zu wenig belastbare Fakten und valides Zahlenmaterial gibt. Das möchte der bevh gemeinsam mit Retouren-Experten aus ganz Deutschland ändern und arbeitet daran, ein umfassendes Wissenskompendium zum Thema zu erstellen.

An dem Kompendium, das unter anderem einen Überblick über das Volumen, den Umgang mit und die Ursachen für Retouren im Handel insgesamt geben soll, beteiligen sich namhafte Hochschulen, darunter die Otto-Friedrich-Universität Bamberg sowie die Hochschulen Darmstadt, Wedel und Würzburg.

Mit „Hintergründe zur Retourenentsorgung Teil 1“ veröffentlicht die Forschungsgruppe Retourenmanagement der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, bestehend aus Forschern des Lehrstuhls für BWL, insbesondere aus den Bereichen Produktion und Logistik, nun einen ersten Beitrag für die angestrebte Wissenssammlung.

Dabei handelt es sich um eine Erweiterung des im April erschienenen Retourentachos, in der die Forschungsgruppe unter der Leitung von Herrn Dr. Björn Asdecker untersucht, aus welchen Motiven Retouren im Onlinehandel entsorgt werden und das Einsatzpotenzial präventiver Maßnahmen beleuchtet.

Die Ergebnisse beruhen auf einer Online-Befragung von Entscheidungsträgern im Retourenmanagement im reinen Onlinehandel sowie bei Omni- und Multi-Channel-Anbietern, an der sich auch viele bevh-Mitglieder beteiligt haben. Die Forscher stützen sich dabei auf zwischen August und September 2019 erhobene Daten und beziehen sich auf 139 auswertbare Fragebögen, was für eine Umfrage zu diesem Themenkomplex eine sehr gute Beteiligung darstellt und, so die Forschungsgruppe, ein realistisches Abbild der Situation erlaubt.

Die Untersuchung zeigt eindeutig, dass die Menge der entsorgten Retouren mit einem Anteil im Promillebereich (in Bezug auf die durchschnittliche von der Forschungsgruppe ermittelte Retourenquote im Gesamtmarkt von 12,1 Prozent) sehr gering ist. Eine Entsorgung ist demnach die absolute Ausnahme, keinesfalls die Regel. Über 50 Prozent der Befragten gaben sogar an, dass in ihren Unternehmen gar keine Retouren entsorgt werden.

Dabei belegt die Studie außerdem, dass die Entsorgung in den meisten Fällen (53 Prozent) unumgänglich ist, da die retournierte Ware nicht mehr verkehrsfähig und eine Wiederaufbereitung technisch unmöglich ist. Rund 5 Prozent der Entsorgung von retournierter Ware ist darauf zurückzuführen, dass Marken- und Patentinhaber dies vorgeben und den Händlern eine Weiterverwertung aktiv untersagen. Davon ist laut der Umfrage insbesondere das Warengruppen-Cluster „Unterhaltung“ betroffen. Demnach ergibt sich zwar ein Rest von knapp 40 Prozent der theoretisch zwar gespendet werden könnte, allerdings werden in mehr als 19 Prozent der Fälle Retouren entsorgt, da es keine weiteren Verwertungsmöglichkeiten gibt. Dies deutet darauf hin, dass die entsorgten Retouren häufig einen geringen Restwert aufweisen. Dies wird auch durch die Befragung der Händler bestätigt, die angaben, dass es sich bei den entsorgten Waren in 80 Prozent aller Fälle um niedrigpreisige Waren unter einem Wert von 15 Euro und/ oder um Güter in einem schlechten Warenzustand handelt und demnach auch keine Spendenabnehmer gefunden werden können. Bei knapp 14 Prozent der Waren wäre eine weitere Verwertung unwirtschaftlich und in knapp 6 Prozent der Fälle wird auf eine Spende verzichtet, da sie den Händlern zu aufwendig, risikoreich oder teuer wäre.

Zu den Gründen, die Unternehmen davon abhalten, retournierte Ware zu spenden, anstatt sie zu entsorgen, wurden die Umfrageteilnehmer auch im Detail befragt. Dabei variierten die Antworten je nach Unternehmensgröße. Es zeigt sich jedoch, dass steuerliche Gründe von den Händlern als besonders relevant erachtet werden. Dazu zählt zum einen der administrative Aufwand und die Unsicherheit in Verbindung mit der Warenbewertung und zum anderen, dass die zu entrichtende Umsatzsteuer auf Spenden, die Entsorgungskosten übersteigt. Spendenfreundlichere Rahmenbedingungen würden also in diesem Zusammenhang dazu beitragen, die Anzahl der entsorgten Retouren zu minimieren. Da die oben angeführten Hinderungsgründe aus dem geltenden Steuerrecht resultieren, könnten sie durch eine entsprechende Änderung beziehungsweise die Mehrwertsteuerbefreiung von Spenden beseitigt werden. Für eine solche Änderung setzt sich der bevh aktiv ein.

Außerdem gaben insbesondere kleinere Händler an, dass der hohe Aufwand, eine geeigneten Spendenorganisation auszuwählen, sie von einer Spende abhält und sie mehr Informationen darüber benötigten, welche Organisation, welche Waren auch in kleiner Stückzahl abnehmen würde. Die Forschungsgruppe schlägt hier vor, ein Spendenregister zu erstellen, das transparent macht, welche Organisation auch mit kleinen Händlern zusammenarbeiten. An dieser Stelle ist auf Unternehmen wie unser gemeinnütziges Mitglied innatura zu verweisen, die Waren in gutem Zustand als Spenden entgegennehmen und an gemeinnützige Organisationen vermitteln.

Schließlich wirft der Ergebnisbericht Fragen für die weitere Erforschung der Retouren- und Entsorgungsthematik in den einzelnen Distributionskanälen auf. In diesem Zusammenhang sieht die Forschungsgruppe viele Hinweise darauf, dass die Entsorgung unverkäuflicher Überbestände eine weitaus höhere Relevanz haben könnte, als die Entsorgung von Retouren selbst. Diese Thematik wird auch im Wissenskompendium des bevh aufgearbeitet, das Stück für Stück veröffentlicht werden wird.

Die Ergebnisse der Forschungsgruppe Retourenmanagement der Universität Bamberg sind hier abrufbar.