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EuGH-Urteil zur Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung

Im Juli letzten Jahres hat der EuGH ein unternehmerfreundliches Urteil gesprochen, in dem es Rückrufsysteme von Onlinehändlern als rechtmäßig angesehen hat und zum Ausdruck gebracht hat, dass Onlinehändler nicht zwangsläufig per Telefon erreichbar sein müssen. Vielmehr kommt es darauf an, dass Händler den Verbrauchern ein Kommunikationsmittel zur Verfügung gestellt wird, über das der Kunde schnell mit dem Händler in Kontakt treten und effizient mit ihm kommunizieren kann (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2019, Amazon EU, C‑649/17).

Der BGH legte dem EuGH eine weitere Frage zur Angabe der Telefonnummer zur Entscheidung vor. Dieses Mal ging es um die Frage, ob eine tatsächlich vorhandene Telefonnummer denn immer zwangsläufig in der Widerrufsbelehrung angegeben werden muss.

In dem zugrundeliegenden Fall gab der Onlinehändler zwar eine Telefonnummer im Impressum und auf der Homepage an. Er berief sich vor Gericht aber darauf, dass die Telefonnummer nicht für vertragliche Zwecke, wie Vertragsschließung, vorgesehen sei. Da die Telefonnummer also nicht für Vertragsschlüsse genutzt wird, wollte der Onlinehändler sie auch nicht für Vertragsauflösungen, wie Widerrufserklärungen, vorsehen.

Den BGH wollte diese Ausführung nicht überzeugen, schließlich sieht der Gestaltungshinweis 2 zur Muster-Widerrufsbelehrung vor:

„Fügen Sie Ihren Namen, Ihre Anschrift und, soweit verfügbar, Ihre Telefonnummer, Telefaxnummer und E-Mail-Adresse ein.“ (Hervorhebung durch d. Autorin)

Nach Ansicht des BGH ist eine Telefonnummer verfügbar, wenn sie im Impressum und im Footer des Onlineshops angegeben wird. Dass der Händler die Nummer nicht für vertragliche Zwecke vorsehen will, sah der BGH unkritisch, da es für die Entgegennahme eines Widerrufs keiner besonderen Schulung für die Mitarbeiter im Customer-Service bedarf. Wünscht der Händler keine Widerrufserklärungen unter dieser Telefonnummer, so muss er - nach Ansicht des BGH - explizit darauf hinweisen.

Im heutigen Urteil (EuGH, Urt. 14.05.2020, Az. C‑266/19) hat sich der EuGH dieser Meinung angeschlossen und ist seiner unternehmerfreundlichen Linie leider nicht treu geblieben. Er stellt in seinem Urteil darauf ab, ob sich ein Händler dazu entschieden hat eine Telefonnummer für Vertriebsaktivitäten zu verwenden. Wenn ein Händler also bereits über eine Telefonnummer verfügt, mit der Verbraucher mit ihm Kontakt aufnehmen können, so muss er diese sowohl im Impressum angeben (so das Urteil aus Juli letzten Jahres) als auch in der Widerrufsbelehrung. Aus dem Urteil:

„[Der Gesetzeswortlaut ist dahingehend auszulegen,] dass die nach dieser Bestimmung „gegebenenfalls“ anzugebende Telefonnummer eines Unternehmers in einer Situation, in der sie dergestalt auf seiner Website zu finden ist, dass einem Durchschnittsverbraucher, d. h. einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher, suggeriert wird, dass der Unternehmer diese Telefonnummer für seine Kontakte mit Verbrauchern nutzt, als verfügbar anzusehen ist.“ (Rnd. 40)

Der Sinn und Zweck einer Telefonnummer für die Abgabe einer Widerrufserklärung ist jedoch seit jeher fraglich. Bereits in seinem Leitfaden zur Verbraucherrechte-Richtlinie führte die EU-Kommission aus: „(…) die Beweislast, dass der Widerruf innerhalb der in der Richtlinie festgelegten Fristen erfolgt ist, sollte jedoch dem Verbraucher obliegen. Aus diesem Grund ist es im Interesse des Verbrauchers, für die Mitteilung des Widerrufs an den Unternehmer einen dauerhaften Datenträger zu verwenden.“

So ärgerlich das Urteil auch ist, so besteht jetzt immerhin Rechtssicherheit und Händler sollten nun noch einmal genau überprüfen, ob sie in der Widerrufsbelehrung (und nur dort – nicht in der Muster-Widerrufserklärung!) ihre Telefonnummer angegeben haben. Ansonsten sind Abmahnungen so sicher wie das Amen in der Kirche.