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Es geht nicht um das Coronavirus. Es geht um den Handel der Zukunft.

Seit einer Woche sammeln wir beim bevh die Initiativen, mit denen Händler Händlern helfen. Da gibt es großartige Initiativen, die lokalen Händler kurzfristig Einnahmen über den Verkauf von Gutscheinen ermöglichen. Es gibt kooperative lokale Liefermodelle. Und es gibt die Initiativen von Onlinehändlern, die sich bereiterklären, Sortimente anderer Händler einzulisten und mit zu verkaufen.

Der E-Commerce hat für seine engere Branche das Modell dafür seit Jahren etabliert – Online-Marktplätze und Plattformen. Diese Modelle verlangen vom teilnehmenden Händler eines: Produktdaten, IT- und nicht zuletzt Prozess-Kompetenz. Der deutsche Einzelhandel, und in Teilen auch der B2B-Fachhandel, besitzt davon zu wenig. Und machen wir uns nichts vor: Diese Kompetenzlücke wird der Handel auch nicht schließen können. 80 Prozent des Handels sind Klein- und Kleinstbetriebe.

Die großen Plattformen sind für viele Händler eine wesentliche Einnahmequelle geworden, wenigstens ein zweites Standbein. Alle Merchants auf ebay und Amazon spannen ein enorm dichtes Netz von Anbietern über Deutschland. Sie könnten eine ideale Nachfrage-Verteilung in die Regionen vornehmen.

Aber so funktioniert der Handel der Zukunft (noch) nicht. Denn die lokale Nähe ist im E-Commerce als Wert aus der Gleichung genommen worden. Nicht nur in logistischer Hinsicht. Auch die ideelle „Nähe“ einer Händlermarke beispielsweise spielt keine Rolle. Ganz unbekannte Unternehmen machen auf Plattformen Millionen-Umsätze. Sie haben Produktdatenkompetenz, IT-Kompetenz, und Prozesskompetenz. Diese ist zwar teuer erkauft (Kompetenz kostet!), aber sie können diese auf eine viel breitere, buchstäblich grenzenlose Kundenbasis ausspielen. Damit verbessern sie Einkaufskonditionen, können selbst sourcen, im Ökosystem der Plattformen Marken entwickeln. Sie ziehen damit Nachfrage auf sich, die „longhaul“-Lieferungen normal macht. Dies haben sogar die stationären Händler gemerkt, die eigentlich über solche Plattformen ihre Kunden in der Region erreichen wollten. Bestellungen kamen vor allem von außerhalb.

Wenn man das marktwirtschaftliche Prinzip nicht aushebeln will – nichts anderes wäre es, künstlich auf Marktplätzen lokale Grenzen für die Angebotsausspielung einzuführen oder willkürliche Distanzzuschläge oder -abschläge bei der Preisbildung zu erheben –, dann helfen Onlinemarktplätze der Region nichts.

Umgekehrt sind regionale Marktplätze oft daran gescheitert, weil sie den Kunden kein wettbewerbsfähiges Angebot machen können. Das Warensortiment entspricht den eingeschränkten Logiken der stationären Fläche und muss sich der entgrenzten, Reichweite-orientierten Logik des E-Commerce stellen. Marktwirtschaft bildet in diesem Szenario ab, was dem Kunden wichtiger ist.

Das Coronavirus beziehungsweise die COVID-19-Pandemie haben allerdings die Grenzen dieser Logik – und die Chancen einer neuen Plattform-Denke – gezeigt. Denn in dem Moment, wo die Logistikleistung aus der Gleichung genommen wird, stockt die Maschine. Sie stockt aber nicht in dem Sinn, dass die Menschen dann wieder das Lob des lokalen Handels singen würden. Denn die Daten reisen nicht im LKW. Das lokale Angebot wird um so mehr als begrenzt wahrgenommen. Charity-Einkäufe hin oder her: Das Prinzip des neuen Einkaufs ist nicht mehr die lokale autarke Sortimentierung des kleinen stationären Einzelhändlers.

Nicht das Coronavirus ist die Herausforderung des Handels. Es ist das dominierende Organisationsprinzip im E-Commerce, bei dem „longhaul“ der Normalfall ist. Genau deshalb muss nicht nur der stationäre Handel umdenken, sondern auch der E-Commerce. Um den E-Commerce zu retten.

Um den E-Commerce zu retten?

Es geht um nicht weniger. Allen sollte klar sein, dass die Zustellung per Paket ein Wachstum des E-Commerce im Rhythmus der letzten Jahre nicht verkraften wird. Die vom IfH prognostizierte Schließung zahlreicher Geschäfte wird vom Markt aufgesogen – vermutlich nicht zum geringen Teil durch den Onlinehandel. Dafür ist der Kunde nicht zu tadeln, er lebt mit der Informations- und Leistungserwartung des Jahres 2020.

Aber schon bei „normaler“ Entwicklung kann die Nachfrage über die bestehende Infrastruktur der Paketdienstleister nicht mit dem gleichen Servicelevel bedient werden. Nicht ohne Grund hat Amazon sein eigenes Zustellnetz entwickelt, so wie OTTO das Anfang der 70er Jahre mit Hermes vorgemacht hat, als ein Poststreik die Zustellung behinderte.

Nur: Noch mehr Fahrer und Fahrzeuge sind nicht die Lösung.

Und genau darum setzen wir uns dafür ein, dass Onlinehändler und stationärer Handel neue, durch E-Commerce überhaupt erst mögliche, kooperative Geschäftsbeziehungen entwickeln. Dem liegt das O2O-Konzept zugrunde, das längst im Markt bewiesen ist – in den Beziehungen zwischen Markenherstellern und ihrer Händlerstruktur, aber auch in der Realisierung bei Zalando. Oder mit ähnlichem Konzept bei Schuhe24.

Die von uns unterstützte Plattform Gaxsys verknüpft die Händler vor Ort – auch ohne IT, Daten, Prozesskompetenz – mit der Nachfrage, die im Onlinehandel erzielt wird. Wir entlasten die Langstrecke und letzte Meile vom Paket, indem wir Daten in die Nähe der Kunden schicken und dort über lokale Kuriere „fulfillen“ lassen. Minimal-invasiv für die lokalen Händler, die mit der übernommenen Nachfrage Luft bekommen, ihr Geschäft digitaler zu machen. Nachhaltig, weil die Plattform Click&Collect genauso unterstützt wie lokale Zustellung gegebenenfalls per Fahrradkurier, auch ohne Umverpackung. Und ökonomisch, denn die Onlinehändler können die Regeln und Provisionen selbst bestimmen, zu denen sie die Aufträge an die Händler vor Ort weitergeben.

Es ist ein genuines Geschäftsmodell, weil der E-Commerce mehr als den Warenumsatz umfasst. Wertschöpfung im neuen Handel funktioniert anders. Wir müssen es nur wagen.

Im Video oben auf der Seite haben wir das Modell dargestellt.