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E-Commerce und die Innenstädte – Zusammenprall der Kulturen?

Einkaufen in Zukunft. Ein Gastbeitrag von Nils Busch-Petersen

Der E-Commerce steht regelmäßig im Zentrum gesellschaftlicher Debatten. Das ist ein gutes Zeichen, denn es zeigt: Die Branche bewegt. Deshalb hat der bevh Wissenschaftler, Politiker und Verbände gefragt, wie sie den E-Commerce sehen. Dabei lassen wir selbstverständlich auch diejenigen zu Wort kommen, die nicht unserer Meinung sind und laden alle Leser dazu ein, die Beiträge kritisch zu kommentieren. Der bevh wird zudem auf Grundlage der Beiträge ein Thesenpapier erarbeiten, das nach Abschluss der Reihe die Beiträge aufnimmt. Bis dahin können Sie im September und Oktober jede Woche Dienstag im Rahmen unserer Beitragsreihe „Einkaufen in Zukunft“ lesen, was andere über den E-Commerce denken.

Heute mit Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverband Berlin-Brandenburg e.V.

Von Jahr zu Jahr boomt der Online-Handel mehr. Mit Smartphone, Tablet und & Co. kommen neue Vertriebskanäle hinzu, und in den Innenstädten macht sich immer stärker ein Rückgang der Kundenfrequenz bemerkbar.

Über Jahrzehnte hinweg bewährte Konzepte des stationären Einzelhandels werden in Frage gestellt. Davon betroffen scheint zunächst vor allem der inhabergeführte mittelständische Fachhandel. Aber auch Kauf- und Warenhäuser oder Einkaufszentren bekommen die Auswirkungen des Online-Handels zu spüren, der im stationären Handel momentan zu oft noch als Gegner wahrgenommen wird.

Prallen hier wirklich zwei gegensätzliche Welten aufeinander, oder ergeben sich nicht auch für den stationären Handel durch diese neuen Vertriebskanäle völlig neue Chancen?

Eine Untersuchung des E-Commerce-Center Köln (ECC) hat die intensive Wechselwirkung zwischen den Vertriebskanälen des Handels analysiert und herausgefunden, dass es bereits ein ausgeprägtes Cross-Channel-Verhalten der Kunden gibt, von dem auch der stationäre Einzelhandel profitiert. Entgegen landläufiger Meinungen lassen sich die Kunden nicht ausschließlich im stationären Geschäft beraten, um dann online zu kaufen. Wie das ECC analysierte, geht 32 Prozent der Käufe in stationären Geschäften beispielsweise eine Onlinerecherche mit PC oder Laptop voraus. Daraus resultieren ca. 50 Prozent des stationären Umsatzes. Und mit der stark zunehmenden Bedeutung mobiler Endgeräte ergeben sich für den stationären Einzelhandel weitere attraktive Chancen.

Chancen für den stationären Handel

Die Kunden wechseln schon heute permanent zwischen stationärem Handel, Online-Handel und den neuen Möglichkeiten, die sich über mobile Endgeräte bieten.

Die Zukunft des stationären Einzelhandels kann deshalb nur digital sein. Auch der stationäre Händler muss die unterschiedlichsten Kanäle bedienen und darüber seine Waren anbieten oder zumindest sich, seine Services und Produkte bekannt machen. Denn das Wachstum des Handels findet schon jetzt weitgehend im Online-Handel statt.

Durch die Verfügbarkeit der Ware im Ladengeschäft, durch Beratung und Service kann der stationäre Handel natürlich noch zusätzlich punkten. Und es wird von Kunden geschätzt, wenn z.B. die Verfügbarkeit von Waren online geprüft werden kann.

Der stationäre Handel wird weiterhin seine Berechtigung haben. Er unterliegt in vielen Bereichen und Branchen starken Veränderungsprozessen, und bei manchen Waren wird er sicher auch die erste Alternative unter den möglichen Vertriebswegen bleiben. Auch der E-Commerce unterliegt immer stärker einem Wandlungsprozess. Viele kleine Anbieter werden es angesichts des massiven Wettbewerbes schwer haben, zu überleben.

Der Handel befindet sich im Umbruch

Online oder stationär, beide Kulturen werden immer stärker miteinander verschmelzen. Gewinner werden diejenigen sein, die es schaffen, das Beste aus beiden Welten effizient miteinander zu verbinden.

Der sich durch den technologischen Fortschritt ergebende Umbruch im Handel ist vergleichbar mit historischen Zäsuren wie der Erfindung des Buchdrucks, der Dampfmaschine oder der Nutzbarmachung der Elektrizität. Alle diese Ereignisse bewirkten oder beförderten erhebliche gesellschaftliche Umbrüche.

Noch kann niemand seriös voraussagen, wie die neue Welt des Handels beschaffen sein wird und welche Folgen sie zeitigt. Ängste vor Wandel und Wirkungen helfen so wenig, wie Versuche, sie zu unterbinden. Wachen Auges die neuen Herausforderungen anzunehmen, Chancen zu finden und zu nutzen, lautet die Aufgabe der Stunde. Wer bei alledem sein „händlerisches Herz“ und seine Empathie für die Kunden bewahrt, wird erfolgreich sein. Wer es nicht schafft, wird vom Marktplatz gehen und in den tradierten Innenstadtlagen Narben hinterlassen. Die politisch Verantwortlichen müssen sich die Frage beantworten, was sie tun können, dem Handel die Bühne Innenstadt attraktiv bleiben zu lassen. Vielleicht künftig auch an sieben Tagen in der Woche, wo und wenn es sich anbietet?