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E-Commerce-Kaufleute: Die bevh-Vision nimmt Gestalt an (1)

verfasst von Martin Groß-Albenhausen

Seit 2012 arbeitet der bevh an einem neuen Ausbildungsberuf „Online-Kaufleute“ bzw. „E-Commerce-Kaufleute“ oder auch „Kaufleute im Interaktiven Handel“. 

Seit vergangenem Herbst schafft eine Arbeitsgruppe aus bevh-Mitgliedern eine Diskussionsbasis, die über die Konzeptphase hinaus geht. Damit unsere Arbeit breiter wirken kann, werden wir die Fortschritte der Arbeitsgruppe hier im Blog kontinuierlich publizieren. Wir freuen uns über jeden Online-Merchant – ob Hersteller, Großhändler, Pureplayer, Multichannel-Anbieter oder Marktplatz-Seller – der seine Gedanken und Anregungen für einen breit ausbildbaren E-Commerce-Ausbildungsberuf mit uns teilt.

E-Commerce-Kaufleute: ein profilierter Querschnittsberuf?

Wenn überkommene Einschätzungen zur herausragenden Bedeutung etwa der Barzahlung im Laden nicht "kassiert" werden, werden auch künftig reine Versand- und Onlinehändler Einzelhandelskaufleute schwerlich ausbilden dürfen. Traditionell liegt die Begründung vor allem darin, dass Distanzhändler wesentliche Ausbildungsinhalte wie Face-to-Face-Kommunikation, Ladengestaltung/Visuelle Kommunikation oder auch eben das Kassieren nicht abbilden können.

Deshalb werden in unserer Branche vor allem die Ausbildungsberufe zu Groß- und Außenhandelskaufleuten, Kaufleuten für Marketingkommunikation, Kaufleuten für Dialogmanagement, Logistik-Kaufleuten sowie Büromanagement ausgebildet. Diese Ausbildungsberufe werden bei den großen Online- und Versandhändlern weiter ausgebildet, da diese genügend Bedarf in Fachabteilungen für entsprechend speziell qualifizierte Nachwuchskräfte haben.

Für kleinere und mittlere Händler im E-Commerce – und übrigens auch für kleine und mittlere stationäre Händler – besteht jedoch keine Möglichkeit, Sparten-Kaufleute auszubilden. Sie benötigen einen Querschnittsberuf, der Aspekte aller genannten Ausbildungswege beinhaltet – aber auf die im Onlinehandel profilgebenden Kompetenzen zugeschnitten. Die Auszubildenden unsere Mitglieds BAUR haben selbst für den Kickoff unserer Arbeitsgruppe im vergangenen Herbst Grundlagen erarbeitet und das folgende Schaubild erstellt:

IST-Situation



Soll-Situation



Wer sich im E-Commerce bewegt, erkennt rasch, dass z.B. im Einkauf aufgrund der im Onlineshop potentiell unbegrenzten Angebotsflächen anders als im Laden sortimentiert werden muss. Dies hat aber zur Folge, dass völlig anders disponiert und organisiert werden muss. Drop-Shipping oder Marktplatzmodelle waren die Antworten darauf, dass nicht mehr ein klassisches, Push-orientiertes „Supply-Chain-Modell“ vorherrscht, sondern ein Pull-orientiertes „Demand-Chain“-Prinzip.

Ebenso generiert ein Onlinehändler anders „Lauf“ als ein stationärer Händler, und seine Kompetenzen in der Kundenberatung zeigen sich im „virtuellen Verkaufsgespräch“, in der Einbindung von Beratungs-Tools auf der Website, im telefonischen Kundenservice, im Chat oder auch in der proaktiven Nutzung von Social Media. Von der Conversion-Optimierung gar nicht zu reden.

Der Pressesprecher von Rocket Internet, Andreas Winiarski, hat die Komplexität dieser E-Commerce-Kompetenzen vergangene Woche bei unserem österreichischen Partnerverband auf die zugespitzte Aussage gebracht: „Das bisschen Offline machen Onlinehändler künftig einfach mit.“

So einfach wird dies natürlich nicht werden. Aber richtig ist, dass eine E-Commerce-Ausbildungsordnung nicht aus der Brille des stationären Einzelhändlers geschrieben werden kann. Er muss von kleinen Ladenbesitzern mit Onlineshop „auch“ ausgebildet werden können, darf aber an keiner Stelle die Strukturen eines Ladengeschäfts implizit voraussetzen.

In der nächsten Folge erläutern wir am praktischen Beispiel, wie Ausbildungsinhalte verschiedener bestehender Ausbildungsberufe im möglichen neuen Ausbildungsberuf einfließen und um neue Ausbildungsinhalte ergänzt werden.