verfasst von Martin Groß-Albenhausen
Die Praxis zeigt, dass scheinbar hoch spezialisierte Inhalte im E-Commerce keineswegs eine Akademisierung des Berufsbildes erfordern. Vielmehr können Auszubildende im zweiten Lehrjahr mit den Tools des Onlinehändlers versiert umgehen und nach Anleitung mit hoher Selbständigkeit typische E-Commerce-Aufgaben übernehmen. Die Tools des Onlinemarketings werden immer nutzerfreundlicher. Zwar sind mathematische und analytische Skills für bestimmte Aufgaben förderlich, doch zeigt der Querschnittscharakter des Ausbildungsberufs, dass neben MINT-Profilen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) auch eher sprachlich oder visuell starke Auszubildende den Beruf erlernen können. Internet ist keine Rocket Science.
Hier schließt die Frage nach dem Aufbau einer dreijährigen Ausbildung an. Der ursprüngliche Entwurf in der Arbeitsgruppe, entwickelt von den Auszubildenden und Ausbildern bei BAUR, sah folgende Aufteilung vor:
Die Betonung von Datenschutz schon im ersten Ausbildungsjahr wird der hohen Relevanz dieser Kernkompetenz im E-Commerce gerecht. Im Verlauf der Diskussion wurde für den betrieblichen und berufsschulischen Teil der Ausbildung dann das folgende mögliche dreijährige Schema konzipiert:
In den ersten zwei Jahren erlernen die Auszubildenden den "Common Core" aller kaufmännischen E-Commerce-Tätigkeiten. Das duale Ausbildungssystem in Deutschland kennt hier die Aufteilung von breiteren Grundlagenthemen in den Berufsschulen und der Umsetzung in den Abteilungen des Ausbildungsbetriebs.
Schon heute ist es für viele Onlinehändler möglich, im Betrieb viele E-Commerce-Spezifika zu erklären. Doch das nötige Fachwissen, um über die bestehenden Systeme und Prozesse hinauszugehen, eignen sich die Azubis damit nicht an.
Das dritte Ausbildungsjahr ermöglicht die Vertiefung und Spezialisierung des Wissens für einzelne E-Commerce-Fachbereiche:
Als mögliche Alternative kann auch im dritten Ausbildungsjahr die Qualifizierung für den eigentlichen Einsatzort – also z.B. Multichannel-Einzelhandel oder Industrie, aber auch angrenzende Berufe wie Tourismus oder Versicherungswirtschaft – erfolgen; genau so ist denkbar, im dritten Ausbildungjahr nach B2B und B2C stärker zu unterscheiden. Welchen Weg der Ausbildungsberuf nehmen soll, wird im Rahmen des Zulassungsverfahrens diskutiert werden.
Dass die Inhalte dem äußeren Anschein nach dicht an der klassischen Ausbildung von Einzelhandelskaufleute liegen, überrascht nicht. Die Ausgestaltung der Lehrpläne und Ausbildungsverordnung wird hier aber eine sehr deutliche Differenzierung bringen.
Eine der wesentlichen Herausforderungen wird darin liegen, die Berufsschullehrer auf die neuen Inhalte vorzubereiten. Dass hier eine der großen Schwachstellen unseres Ausbildungssystems liegt, ist unstrittig. Aber an dieser Aufgabe kommt niemand vorbei - auch dann nicht, wenn eine "Digitalisierung" bestehender Ausbildungsberufe als der scheinbar einfachere und schnellere Weg erscheint.