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E-Commerce im Wahlkampf – Antworten der Parteien auf die Wahlprüfsteine des bevh (Frage 2 von 5)

verfasst von Sebastian Schulz

Der Wahlk(r)ampf neigt sich seinem Ende zu. Bezogen auf die für die deutsche E-Commerce-Branche relevanten Themen hat unsere Sichtung der relevanten Wahlprogramme ein recht eindeutiges Bild ergeben. Während bei den einen der Themenkomplex Digitalisierung einen hohen Stellenwert genießt und hier v.a. die Chancen herausgearbeitet werden, zeichnen sich andere (weiterhin) als Bedenkenträger aus. Einzelaspekte der Digitalisierung im Handelsumfeld, aber auch andere Themen, die die Online- und Versandhandelsbranche bewegen, blieben in den Wahlprogrammen wiederum vollständig unberücksichtigt.

Wir haben deshalb noch einmal nachgefragt. Unsere Wahlprüfsteine wurden mittlerweile von allen angeschriebenen Parteien beantwortet. Hier nun die Antworten im Original und unkommentiert:

Frage 2: Wird sich Ihre Partei für oder gegen eine Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts einsetzen? Ist Ihrer Einschätzung nach ein Festhalten an der gesetzlichen Höchstarbeitszeit pro Tag sinnvoll oder werden Sie sich für die Einführung einer Wochenhöchstarbeitszeit einsetzen? Sollten Ihres Erachtens Dienstleistungen im Umfeld des Handels, z.B. solche in der Logistik oder Callcenter-Serviceleistungen, an Sonn- und Feiertagen prinzipiell (weiterhin) verboten werden oder wird sich Ihre Partei für Lockerung bestehender Vorgaben einsetzen?

Antwort CDU:

Die Digitalisierung der Arbeitswelt bietet u. a. durch Home-Office oder mobiles Arbeiten neue Chancen Arbeitszeit flexibler einzuteilen, beispielsweise um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter zu verbessern. Deshalb werden wir das Arbeitszeitrecht modernisieren. Gleichzeitig bekennen sich CDU und CSU klar zum Sonn- und Feiertagsschutz. Sonn- und Feiertage sind Tage des christlichen, sozialen und kulturellen Lebens, Tage der gemeinsamen Zeit der Familie, Freunde und Nachbarn. Sonn- und Feiertage sollen auch der Ruhe und Entspannung vom Alltagsstress dienen und deshalb weitgehend geschützt sein. Wir sind der Auffassung, dass Sonn- und Feiertage grundsätzlich arbeitsfrei sein sollen. Wir wenden uns daher gegen eine Ausdehnung der derzeitigen Ausnahmeregelungen. Für einige Berufsgruppen gibt es berechtigte Ausnahmen, welche jedoch fortwährend auf ihre Notwendigkeit hin überprüft werden müssen.

Antwort SPD:

Den Vorschlag einer Umstellung auf die Wochenarbeitszeit lehnen wir ab. Das Arbeitszeitgesetz eröffnet schon jetzt einen weiten und flexiblen Rahmen, um auch den Erfordernissen einer modernen Dienstleistungsgesellschaft an die Arbeitszeitgestaltung gerecht zu werden. Die werktägliche Arbeitszeit einschließlich Bereitschaftsdienst und Ruhepausen kann auf der Grundlage tarifvertraglicher Regelungen längstens bis auf 24 Stunden verlängert werden. Er führt mittelbar zu einer Verlängerung der täglichen Höchstarbeitszeit auf 12 1⁄4 Std. (24 Std. minus 11 Std. tägliche Ruhezeit minus Pausen). Durch die Umstellung auf die Wochenarbeitszeit bedingte erhebliche Verlängerung der Arbeitszeit bestehen gewichtige Bedenken. Eine solche Umstellung bedeutet einen völligen Systemwechsel mit unabsehbaren Folgen insbesondere für die geltende Tariflandschaft. Die Tarifverträge zur Arbeitszeitflexibilisierung gehen in aller Regel von der geltenden gesetzlichen Höchstarbeitszeit aus und regeln nur die Wochenarbeitszeit. Entsprechend der verfassungsrechtlich geschützten Sonn- und Feiertagsruhe sieht § 9 Absatz 1 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) ein grundsätzliches Beschäftigungsverbot für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen vor: „Arbeitnehmer dürfen an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0 bis 24 Uhr nicht beschäftigt werden.“ Die Bestimmung dient in erster Linie dem Schutz der Arbeitnehmer. Darüber hinaus bezweckt sie eine einheitliche und umfassende Gewährleistung der Sonn- und Feiertagsruhe im verfassungsrechtlich geschützten Interesse der Allgemeinheit. Grundsätzlich hat die typische "werktägliche Geschäftigkeit" an Sonn- und Feiertagen zu ruhen. Durch die verfassungsrechtlich geschützte Sonn- und Feiertagsruhe sind klare Grenzen gesetzt und Ausnahmen müssen von Fall zu Fall umfassend abgewogen werden. Die Nutzung der Verordnungsermächtigung des § 13 ArbZG durch Bundes- oder Landesregierungen ist im Lichte dieser grundsätzlichen Entscheidung zu sehen. Die hierzu ergangene Rechtsprechung zeigt, dass Landesregierungen dabei nicht immer gerichtsfest vorgegangen sind. Daher sehen auch wir die Notwendigkeit, hier eine möglichst bundesweite Lösung zu finden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales prüft, wie so etwas zu erfolgen hat. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c ArbZG kann die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates „zur Vermeidung erheblicher Schäden unter Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe“ Ausnahmen vom Verbot der Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen „aus Gründen des Gemeinwohls, insbesondere auch zur Sicherung der Beschäftigung“ erlassen. Hier hoffen wir auf eine angemessene und ausgewogene Lösung.

Antwort FDP:

Wir Freie Demokraten wollen das Arbeitszeitgesetz flexibilisieren, indem die bisherige Grenze der täglichen Höchstarbeitszeit von acht beziehungsweise zehn Stunden, sowie in den nicht sicherheitsrelevanten Bereichen die elfstündige Ruhezeit aufgehoben wird. Stattdessen soll nur die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden festgeschrieben sein, so wie es auch die Europäische Arbeitszeitrichtlinie vorsieht. Zudem wollen wir auch andere Verbote, wie Dienstleistungen an Sonn- und Feiertagen anzubieten, aufheben, denn in unserer modernen, digitalisierten Lebensrealität erscheinen feste gesetzliche Öffnungszeiten antiquiert. 

Antwort Bündnis90/Die Grünen:

Wir fordern eine größere Zeitsouveränität für die Beschäftigten. Sie sollen mehr Mitsprache über den Umfang und die Lage ihrer Arbeitszeit bekommen. Wenn Arbeit gut ins Leben passt, dann erhöht das die Motivation und hilft gegen den Fachkräftemangel. Die Abschaffung der täglichen Arbeitszeithöchstgrenze lehnen wir ab, da eine anhaltende Entgrenzung der Arbeitszeit nachweislich gesundheitliche und soziale Risiken für die Beschäftigten zur Folge hat. Aus der erlaubten Tageshöchstgrenze ergibt sich eine angemessene maximale Wochenarbeitszeit. Wo nötig, soll in Call Centern auch künftig Sonn- und Feiertagsarbeit möglich sein. Wir sehen jedoch eine Ausweitung der Sonn- und Feiertagsarbeit kritisch. Arbeitsfreie Wochenenden und Feiertage dienen nicht nur der Erholung, sondern auch der gemeinsamen Zeit mit Familie und Freunden.

Antwort Die Linke:

DIE LINKE setzt sich für eine zeitliche Begrenzung des Arbeitstages ein. Zu lange und flexible Arbeitszeiten schaden der
Gesundheit und erschweren die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Maßstab für die Dauer und die Verteilung der Arbeitszeit sollten dabei die Wünsche der Beschäftigten sein. Mehr Souveränität bei der Verteilung der Arbeitszeit wäre ebenfalls im Sinne
der Beschäftigten wie sich in der Praxis zeigt. Wir stehen für eine Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich. Die vorhandene Arbeit muss gerecht verteilt werden. Denn eine sinnvoll organisierte Arbeitszeitverkürzung ist das beste Mittel gegen Arbeitslosigkeit und zum Erhalt von Arbeitsplätzen.
DIE LINKE fordert konkret, dass die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit von 48 auf 40 Stunden gesenkt wird. Gemeinsam mit
den Gewerkschaften, den Beschäftigten und – wenn möglich – Arbeitgebern wollen wir die 30-Stundenwoche und weitere
tarifliche Arbeitszeitverkürzungen durchsetzen. Es ist zudem klarer als bisher zu regeln, dass Beschäftigten ein bestimmtes, ausreichendes Maß an freier Zeit zusteht, in der sie nicht abrufbereit sein müssen. Sollten Ausnahmen von dieser Regelung im Einzelfall notwendig sein, müssen sie vertraglich geregelt und vor allem zusätzlich vergütet werden.
Wir sind grundsätzlich gegen die Zunahme der Sonn- und Feiertagsarbeit und fordern ein Recht auf Feierabend. Sonn-
und Feiertagsarbeit heißt für die Beschäftigten oft eine Entgrenzung von Arbeit, Arbeit auf Abruf, übrigens auch oft keine Bezahlung mehr von Überstunden, Zunahme von Stress. Deshalb braucht es gesetzliche Regelungen, die den ArbeitnehmerInnen in die Lage versetzen, mehr Zeitsouveränität durchzusetzen. Ein Schlüssel dafür ist das Arbeitszeitgesetz. Die Zunahme der Sonntagsarbeit zeigt hierbei gerade, dass es aufgrund von Ausnahmeregelungen in vielen Fällen die Beschäftigten aktuell gar nicht wirksam schützt.