Blog:

„Display-Advertising wird in der Kundenbindung vernachlässigt!“

Jens Jokschat, Geschäftsführer des Hamburger Real-Time Advertising Spezialisten d3media, im Interview mit Martin Groß-Albenhausen

„Data Driven Display“, also die Ausspielung von Online-Werbeanzeigen möglichst gezielt nur bei hoch affinen Kunden und mit genau passenden Inhalten, gilt als eine der Kernkompetenzen in modernem Onlinemarketing. Jedes Jahr ändern sich hier die Steuerungsmethoden, und so kann man auch aus scheinbar weniger qualitativem Werbeinventar gut konvertierenden Traffic ziehen. Sagen zumindest die Anbieter von Sell- oder Demand Side Plattformen, auf denen in Echtzeit die Werbeplätze versteigert werden. Den Status der Display-Werbung beschreibt Jens Jokschat, Geschäftsführer des Hamburger Real-Time Advertising Spezialisten d3media, im Interview.

Jens, bei Onlinehändlern gibt es kaum eine kritischer betrachtete Online-Werbeform als Display. Wo steht Display-Advertising heute?

Das hängt stark von der Zielsetzung ab, die man als Händler verfolgt. In Summe betrachtet ist Display hinter Paid Search der mit Abstand zweitgrößte Online Marketingkanal, und wächst derzeit stärker als Search. Display Advertising hat gerade im E-Commerce und Performance Bereich wieder an Relevanz gewonnen, seit Retargeting zur Toolbox eines jeden Online Marketers gehört, und Real-Time Advertising die Möglichkeit bietet, Kampagnen nutzerbezogen sehr filigran zu targeten, statt feste Kontingente auf Einzelsites buchen zu müssen.

An welchen Stellen in der Customer Journey spielt Display eine besonders wichtige Rolle?

Intelligent eingesetzt kann es den User über den gesamten Kaufentscheidungsprozess begleiten. Umfeld- oder interessenbezogene Targetings bringen Shopanbieter in den relevant Set, Targeting auf Kaufabsichten oder Retargeting erreichen und erinnern User kurz vor der Kaufentscheidung. Was aus meiner Sicht noch völlig vernachlässigt wird ist der Einsatz von Display zur Kundenbindung und Kundenaktivierung. Diese Aufgabe wird häufig allein über Newsletter oder gar Print-Mailings abgearbeitet. Dabei gäbe es tolle Möglichkeiten diese Disziplinen miteinander zu verzahnen. Generell wird beim Einsatz von Display noch zu selten zwischen echter Neukundengewinnung und Bestandskunden-Management unterschieden und zu häufig nur auf den nächsten Sale oder billigsten CPO geschaut. Das führt zu vermeidbaren Ineffizienzen.

Wie viel Inventar wird heute real-time über DSPs versteigert?

Prozentual gehen wir im Bereich von Standardformaten von 20-30% aus, Tendenz stark steigend. In 2-3 Jahren werden das 75-90% sein, da es einfach Vorteile für alle Beteiligten, ganz besonders die Advertiser bringt. Bei Großformaten und Sonderwerbeformen ist die Entwicklung etwas zögerlicher, da z.B. typische lokale Formate wie Wallpaper von amerikansichen Real Time Advertising (RTA)-Plattformen noch nicht unterstützt werden. Zudem sind Auslastung und TKP-Niveau dieser Formate aus Vermarktersicht auch ohne RTA erfreulich.

Welche Pfeiler hat Deiner Erfahrung nach eine gute Display-Strategie?

Aus meiner Sicht sind drei Voraussetzungen notwendig, um als Advertiser den Kanal Display optimal nutzen zu können. 1) Die Betrachtung aller Display Kontakte: Es reicht nicht aus, nur den letzten Kontakt oder gar Click zu messen und anhand dessen CPOs zu ermitteln. Genau darauf beschränken sich jedoch häufig Web Analytics Systeme oder AdServer. Nicht, weil dahinter ein Konzept stünde, sondern weil es die einfachste Art ist zu messen und dies seit den '90ern eben so gemacht wird. Um das Full-Picture und damit auch Beiträge von Display zu Beginn einer Anstoßkette abbilden zu können, geht kein Weg am Customer Journey Tracking vorbei. Alles andere führt unweigerlich zum Rennen um den letzten Click - und über 95% aller Nutzerkontakte landen auswertungstechnisch unbetrachtet im Müll. 2) Eine klare Zielstellung und adäquate Erfolgsmessung: Retargeting z.B. ist gelernt, und vergleichsweise effektiv. Will ich jedoch wirklich effizient sein, sollte ich alle vorliegenden Informationen über einen Nutzer bzw. Käufer verwenden. Besuchs- und Kauffrequenz, Warenkorbhöhen, Verweildauer, Umsätze u.ä. sind einfach messbare Indikatoren für die Annäherung an Kundenwerte und Kaufwahrscheinlichkeiten. Oftmals wird zur Steuerung von Retargeting aber nur die Info genutzt, welche Produkte ein Nutzer in den letzten Tagen angeschaut hat. Hier ist konzeptionell noch viel Luft nach oben. Im Bereich Neukundengewinnung (Prospecting) z.B. ist es notwendig, adäquate KPIs zu definieren, die abbilden, ob und wie positiv eine Display-Kampagne Abschlüsse über andere Kanäle vorbereitet. Wir reporten unseren Kunden u.a. "Initiated Sales", als Nachweis, dass Zielgruppen erreicht wurden, die später auch wirklich gekauft haben, auch wenn der letzte Kontakt via Search oder Retargeting erfolgte. 3) Display braucht Größe und Zeit: Extrembeispiele wie Zalando oder vor Jahren ebay haben gezeigt: Breite Zielgruppen lassen sich via Display aufmerksamkeitsstark erreichen. Das geht auch mit kleineren Budgets und engeren Zielgruppen. Allerdings bietet der Kanal mit fast 2 Mio. Werbeträgersites, mindestens 5 Anzeigenformaten, hunderten targetbarer Zielgruppenprofile über diverse Endgeräte, über die Nutzer erreicht werden können, sehr viele Optionen. Gerade Real-Time Advertising lebt vom ständigen probieren, lernen und optimieren. Wir erleben regelmäßig, dass Kampagnen nach Monaten immer noch effizienter werden können. Ein langer Atem hilft also definitiv, um erfolgreich zu sein.

Retargeting scheint die einzige Form von Display zu sein, bei der Onlinehändler profitablen Einsatz sehen. Welche Targeting-Möglichkeiten sind für Händler abseits von Kaufabbrechern heute auch schon auf CPO-Basis wirtschaftlich darstellbar?

Eine CPO Betrachtung, die allein die Strecke zwischen letztem Click und nächstem Kauf abdeckt, bietet tatsächlich wenig Spielraum. Wir glauben sehr stark an das Thema CRM Targeting, das das langfristige Verhalten von Shopbesuchern und Käufern verstärkt berücksichtigt. Vom CPO zum CLV (Customer-Lifetime Value) ist das Ziel. Die dafür nötigen Informationen aggregieren wir neben dem Webshop aus Touch Points wie Search, E-Mails und Social Media. Überdies ermöglicht unser neuer Partner und Haupt-Shareholdder, die defacto.x Gruppe, auch Offline Touch Points wie Print-Mailings, Katalogversand und stationäre Käufe via Loyalty Programmen abzubilden, solange diese mit einer E-Mail Adresse verknüpft sind. Also On- und Offline Informationen, wofür ein 20-köpfiges Analytical CRM Team bereit steht und unseren Kunden hilft, die effizienteste Ansprache zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Kundenlebenszyklus zu finden. Übrigens über alle Kanäle hinweg, auch jenseits Display. Da sehen wir viele Chancen.

Im August letzten Jahres gab es Gerüchte über ein Amazon Display Network – wie steht es damit?

Ich kann nicht für Amazon sprechen, aber dass dort mit Entschlossenheit Strukturen für die Display Vermarktung aufgebaut werden, wurde bereits durch entsprechende Personalien dokumentiert. Der aufmerksame Amazon Shopper wird auch bemerken, dass bereits Hersteller Kampagnen laufen, die über amazon-eigenes Retargeting hinaus gehen.

Immer mehr Traffic wandert auf mobile Geräte. Kommt auch mobile Display in Gang, oder ist die Nutzung der Smart Devices Gift für Display-Advertising?

Mobile bietet Chancen, aber auch Herausforderungen. Gerade Tablets haben bereits heute als Informations- und Bestelldevice signifikante Bedeutung. Dort funktionieren Display Kampagnen unter bestimmten Voraussetzungen durchaus überdurchschnittlich. Dass der Trend sich fortsetzt bezweifelt wohl niemand. Schwieriger wird das Thema Erfolgsmessung in cookielosen Umgebungen. Spezialanbieter bieten bereits Lösungen, erhöhen aber auch die technische Komplexität.

Welche inhaltlichen bzw. technischen Trends gibt es bei den Ads selbst? Welche Formate gewinnen an Bedeutung?

Aktuell beobachten wir zwei Trends. Auf der technischen Ebene wird HTML5, Flash als Standard ablösen. Getrieben durch den zunehmenden Anteil mobiler Endgeräte. Erschreckend, wie häufig uns dort ruckelnde GIFs begegnen, die optisch stark an 1999 erinnern. Daswird sich hoffentlich ändern. Kunden werden auch inhaltlich zu Recht anspruchsvoller und erwarten auch via RTA die Möglichkeit Großformate wie Half-Page Ads oder Billboards in großen Reichweiten ausspielen zu können, mit entsprechend hohen Sichtbarkeits-und Responsewerten.

Welches sind die größten Fehler, die Du heute im Display-Advertising beobachtest?

Generell zu wenig Liebe für's Detail. Sowohl im Bereich Kreation als auch bei der Aussteuerung per Gießkanne. Vielleicht liegt dies auch am Missverständnis, Algorithmen und Werbeautomaten würden Kampagnen ohnehin komplett selbst optimieren. Das ist natürlich Unsinn. Allein im Bereich der Display-Kreation sehen wir Performance-Unterscheide von mehreren hundert Prozent.

Gesetzt, Du bist Onlinemarketing-Manager mit Profitverantwortung und bekommst 10.000 Euro Budget zusätzlich. Wie würdest Du sie einsetzen? Welcher Kanal bekommt wie viel? Oder ist die Frage falsch gestellt?

Das hängt primär davon ab, wofür das bisherige Budget eingesetzt wurde und mit welchen Ergebnissen. Falls noch nicht geschehen, würde ich vielleicht in eine Kundenstrukturanalyse investieren, um erstmals zu verstehen, wer meine Top-Kunden eigentlich sind und mit welchen Kundentypen ich kein Geld verdiene. Das kann allen Marketingkanälen helfen, Budgets dauerhaft gezielter einzusetzen.

Vielen Dank, Jens, für das Gespräch.

Am 10. März findet in Hamburg die D3CON, die größte deutsche Konferenz für Display-Advertising, statt. bevh-Mitglieder profitieren wiederum von einem Partner-Rabatt bei Anmeldung über den folgenden Link: http://d3con.de/Anmeldung/?discount=bevh15