Vor ein paar Tagen schrieb ich in einem Vorwort für eine FAZ-Publikation, dass der viel beschworene „Wumms“ für die Digitalisierung in Deutschland ausbleiben könnte. Heute lernen wir aus dem Handelsblatt Job-Monitor, dass die Nachfrage nach Digitalexperten in Deutschland nicht etwa steigt, sondern in allen Branchen sinkt. Automobilbranche, Industrie, unsere Vorzeigebranchen und Hoffnungsträger für globale Führungsrolle beim „Internet der Dinge“? Stehen alle auf der Bremse.
Oder nein: nicht alle. „Das Interesse an Spezialisten für Cloud-Computing, Künstliche Intelligenz und E-Commerce hat zwischen April und Juni ebenfalls nachgelassen, allerdings weniger stark. Diese Technologien werden in praktisch allen Branchen benötigt. Vor allem die Händler, die im Internet schon vorher aktiv waren, haben im zweiten Quartal gute Geschäfte gemacht und ihre Kapazitäten entsprechend aufgestockt.“
Am Ende werden die „Krisengewinnler“ genau deshalb die nächste Krise meistern, weil sie genau das gemacht haben, was immer gefordert wird: Antizyklisch investieren, Zukunftsmärkte besetzen. Dann werden die, die ihre Bedeutungslosigkeit selbst verschuldet haben, wieder nach dem Staat rufen, der den „unfairen Wettbewerb“ beseitigen möge.
Wenn es 2020 gelingt, wieder 1500 neue Ausbildungsverträge für E-Commerce-Kaufleute im jetzt anlaufenden Schuljahr zustande zu bringen, dann ist das höchst erfreulich. Aber können wir uns auf die Schulter klopfen, wenn das deutlich weniger als 10 Prozent der Ausbildungsplätze sind, die der Einzelhandel insgesamt anbietet? Obwohl E-Commerce deutlich mehr als 10 Prozent der Umsätze einfährt? Oder ist das einfach ein Beleg dafür, dass unser Geschäft eben deutlich produktiver und effizienter ist, dass man mit weniger Manpower mehr Business treibt?
An anderer Stelle habe ich moniert, dass es in Deutschland nicht am Wissen, sondern am Wissen-wollen fehlt. Unsere Mitglieder, die als digitale Pioniere und erfolgreiche Unternehmer im E-Commerce vorankommen, geben heute ihr Knowhow als Berater weiter. Sie berichten von deutlich rückläufigen Anfragen.
Wie knüppeldick braucht es Deutschland eigentlich noch, damit es sich nicht in die digitale Prokrastination flüchtet?