verfasst von Julia Wolf (Dr. Brüning Engineering UG) und Eva Rohde (bevh)
Ab dem 15. August 2018 tritt der so genannte offene Anwendungsbereich (Open Scope) des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes (ElektroG) in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt muss (fast) jedes Produkt, das einen Stecker hat oder batteriebetrieben ist, bei der Stiftung ear registriert werden. Darunter fallen erstmalig auch sog. „smart furniture“ und „smart clothing“ (darunter können z. B. Schränke mit Beleuchtung oder Kleidungsstücke mit eingebauten Lüftern fallen sowie blinkende und singende Weihnachtsmützen. Ob diese „smart“ sind, sei dahingestellt). Bisher war der Anwendungsbereich des Gesetzes auf Produkte begrenzt, die unter diese 10 Kategorien fielen: Haushaltsgroßgeräte, Haushaltskleingeräte, Geräte der Informations- und Telekommunikationstechnik, Geräte der Unterhaltungselektronik und Photovoltaikmodule, Beleuchtungskörper, elektrische und elektronische Werkzeuge, Spielzeug sowie Sport- und Freizeitgeräte, Medizinprodukte, Überwachungs- und Kontrollinstrumente und automatische Ausgabegeräte.
Durch die Öffnung des Anwendungsbereichs können jetzt weitere Produkte hinzukommen. Dies führt dazu, dass ab dem Zeitpunkt auch diese Produkte mit einer durchgestrichenen Mülltonne gekennzeichnet werden müssen und nicht mehr in den Hausabfall geworfen werden dürfen.
Produkte die schon bisher als Elektrogeräte galten, gelten auch weiterhin als Elektrogeräte.
Die Einstufung als Elektrogerät hängt davon ab, ob die elektrischen Bauteile funktional oder baulich an die Nutzungsdauer des Gesamtprodukts gebunden sind. Falls ja, handelt es sich bei dem Gesamtprodukt um ein Elektrogerät. Gemeint sind hier Produkte deren elektrische Bestandteile im Gesamtprodukt fest eingebaut sind und sich nur „unter großer Anstrengung“ wieder ausbauen lassen. Produkte, bei denen dies i. d. R. der Fall ist, sind z.B. ein elektrisch verstellbarer Fernsehsessel oder blinkende/ leuchtende Kinderschuhe. Solche Produkte müssen zukünftig bei der stiftung ear als Elektrogeräte registriert werden. Im Gegensatz dazu kann es Produkte geben, deren elektrische Bestandteile auch einzeln, zum Nachrüsten, in Verkehr gebracht werden und leicht ausgetauscht werden können. Bei diesen Produkten muss nur der elektrische Bestandteil als Elektrogerät registriert werden. Ein Beispiel ist eine Schrankwand mit einer LED Leiste. Wenn die LED Leiste nachgekauft und vom Benutzer ausgetauscht werden kann, gilt die Schrankwand auch zukünftig nicht als Elektrogerät. Die LED Leiste stellt dann das Elektrogerät dar. Entscheidungen und Einzelheiten zur Einstufung von Produkten werden von der Stiftung ear bekannt gegeben.
Da ab dem 15. August mehr Produkte unter das ElektroG fallen, sollten Vertreiber aktuell ihr Sortiment überprüfen. Wenn das Sortiment Produkte enthält, die „neu“ unter das Gesetz fallen, sollten Vertreiber prüfen, ob diese Produkte vom Hersteller ordnungsgemäß registriert wurden. Bei der Prüfung sollten folgende Fragen geklärt werden:
- Ist auf dem Produkt das Symbol der durchgestrichenen Abfalltonne aufgebracht?
- Gibt der Hersteller die sog. WEEE Registrierungsnummer (insb. auf Rechnungen) an?
- Ist der Hersteller im online Verzeichnis der stiftung ear verzeichnet?
- Stimmt die Registrierungsnummer dort mit der angegebenen Registrierungsnummer überein?
- Stimmt die dort verzeichnete Geräteart (z.B. „Haushaltskleingeräte für die Nutzung in privaten Haushalten“) mit dem der des Produkts überein?
Das Verzeichnis der Hersteller und ihrer Bevollmächtigten ist auf der Webseite der stiftung ear öffentlich einsehbar (https://www.ear-system.de/ear-verzeichnis/hersteller#no-back). Hier kann man z.B. nach Herstellernamen oder nach WEEE Registrierungsnummern suchen oder die Liste aller registrierten Hersteller einsehen.
Wenn nach der Prüfung zweifelhaft ist, ob ein Hersteller ordnungsgemäß registriert ist, gibt es dringenden Handlungsbedarf. Laut ElektroG gelten Vertreiber, die vorsätzlich oder fahrlässig Geräte von Herstellern anbieten, die nicht ordnungsgemäß registriert sind, selbst als Hersteller. Damit treffen sie dann alle Herstellerpflichten. Z. B. müssen sich diese Vertreiber dann bei der Stiftung ear als Hersteller registrieren. Bei Verstößen gegen die Registrierungspflicht, kann es zu Abmahnungen kommen und es können Bußgelder verhängt werden.
Vertreibern wird daher geraten, das Anbieten von „Verdachtsprodukten“ (ggf. vorübergehend) einzustellen. Es sollte Kontakt mit dem Hersteller aufgenommen werden, um zu klären, ob eine Registrierung und eine Registrierungsnummer vorliegen. Sollte dies nicht der Fall sein und sollte der Hersteller auch nicht zur Registrierung bereit sein, muss der Vertreiber sich ordnungsgemäß bei der Stiftung ear registrieren, bevor er das Produkt anbieten darf.
Neben der Frage der Registrierung, können für Vertreiber auch die Regelungen zur Rücknahme von Elektrogeräten wichtig sein. Elektroaltgeräte dürfen in Deutschland nur von öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern (Recyclinghöfen), Vertreibern oder Herstellern gesammelt und zurückgenommen werden.
Vertreiber mit einer Verkaufs- oder Lagerfläche von mindestens 400 m² sind laut ElektroG verpflichtet beim Verkauf eines Neugerätes, ein gleichartiges Gerät unentgeltlich zurückzunehmen. Weiterhin müssen sie Kleingeräte (keine äußere Abmessung über 25 cm) in haushaltsüblichen Mengen unentgeltlich zurückzunehmen, unabhängig vom Verkauf eines Neugeräts. Ab dem 15. August gelten, wie zuvor beschrieben, mehr Geräte als zuvor als Elektrogeräte. Daher sollten Vertreiber, unter Beachtung der neuen Definition, jetzt prüfen, welche Flächen sie für den Verkauf oder die Lagerung von Elektrogeräten nutzen und ob ggf. Rücknahmepflichten auf sie zukommen.
Nach der Sammlung werden Elektrogeräte zwecks Vorbehandlung dann zu einem Entsorgungsunternehmen (beispielsweise der ELPRO GmbH) verbracht, wo die Geräte der Erst- und Folgebehandlung zugeführt werden.
Im Rahmen der Behandlung werden die Elektroaltgeräte manuell von Schadstoffen entfrachtet, in die einzelnen Bestandteile zerlegt und diese nach verschiedenen Fraktionen (beispielsweise in die Metalle wie Kupfer, Eisen, Aluminium, Messing, etc.) aufgeteilt oder geschreddert. Es ist vorgesehen, dass die Erstbehandlungsanlagen Aufzeichnungen über das Gewicht der Altgeräte, ihre Bauteile, Werkstoffe und Stoffe führen.
Mit dem Wirksamwerden des Open Scope werden die Behandlungsanlagen vor neue Herausforderungen gestellt. Nicht nur wird die Menge der angelieferten Geräte mehr, sondern auch wird das Zerlegen insbesondere von „smart furniture“ für die Entsorgungsunternehmen problematisch: zum einen sind höhenverstellbare oder vernetzte Tische sowie illuminierte Schränke und Vitrinen platzraubender als die Elektroprodukte, mit denen man sich bisher beschäftigen musste. Zum anderen fallen bei den Recyclinghöfen selbst vermehrt Fraktionen wie Holz und Textilien an, die es zu lagern, zu verwerten und zu dokumentieren gilt.
Doch auch bereits jetzt sehen sich die Entsorgungsunternehmen einzelnen Herausforderungen gegenüber.
Die immer größer werdenden Flat Screens sind sicherlich an den Wänden in Wohnzimmern ein hübscher Blickfang, der bruchsichere Transport solch großer Elektrogeräte ist jedoch eine große Herausforderung, ebenso wie das manuelle Zerlegen. Oft sind die vorhandenen Arbeitsplätze für die Zerlegung den neuen Dimensionen von Unterhaltungsmedien nicht gewachsen und müssen angepasst werden.
Ein weiteres Problem werfen Batterien, insbesondere Lithium-Ionen-Batterien auf. § 10 Abs. 1 S. 2 ElektroG sieht vor, dass Altbatterien und Altakkumulatoren, die nicht vom Altgerät umschlossen sind, vor der Abgabe an eine Erfassungsstelle von dem Gerät zu trennen sind und getrennt einem Rücknahmesystem für Batterien zugeführt werden müssen.
Für den Transport von Batterien zu den Entsorgungsunternehmen müssen widerstandsfähige Außenverpackungen genutzt werden, die aus einem geeigneten Werkstoff hergestellt sind und eine ausreichende Festigkeit aufweisen. Dies kann beispielsweise auch durch das Produkt selbst gewährleistet sein (Beispiel: elektrische Zahnbürsten). Diese batteriebetriebenen Altgeräte müssen bei den Recyclinghöfen in eigenen, geeigneten Behältnissen getrennt von den anderen Altgeräten gesammelt bzw. gelagert werden. Beim Transport von Batterien muss sichergestellt werden, dass während des Transports ein Kontakt zu anderen Batterien oder leitfähigen Oberflächen ausgeschlossen ist (das Bundesumweltamt rät auch für den privaten Hausgebrauch, die Pole von Lithium-Ionen-Batterien, die nicht in Benutzung sind, mit Tesafilm zu überkleben). Ebenso besteht die Gefahr, dass die losen Batterien während des Transports oder bei dem Ausladen bei der Behandlungsanlage beschädigt werden und die heraustretenden Elektrolyte mit anderen Stoffen reagieren.
Zur Gefahrminimierung ist die Abholmenge für Batterien auf fünf Kubikmeter beschränkt. Diese vorgegebene Menge wird mit Einführung des Open Scope zukünftig schneller erreicht werden als bisher, was die Abholkoordinierung vor neue Herausforderungen stellen wird.
Auch das Vorurteil, dass bei der Rohstoffrückgewinnung massenhaft wertvolle Metalle aussortiert werden, und eine Art Goldgräberstimmung herrscht, ist mittlerweile längst überholt. Aus Kostengründen und um das Gewicht von Elektroartikeln so gering wie möglich zu halten, wird der Einsatz von wertvollen Metall nach Möglichkeit reduziert und durch Kunststoff ersetzt. Eine wahre Erleichterung für den Verbraucher, eine große Erschwernis für die Behandlungsanlagen - denn auch das Trennen der Metalle von dem Kunststoff ist nicht einfach. Wenn dann endlich die verwertbaren Rohstoffe gewonnen wurden, gilt es, diese zu einem guten Preis wieder zu verkaufen. Aber wie sagte schon Benjamin Graham – „Geduld ist die oberste Tugend des Investors.” Und den richtigen aktuellen Marktwert für die einzelnen Metalle rechtzeitig zu erkennen und danach zu handeln um kein Verlustgeschäft zu verbuchen, ist eine große unternehmerische Herausforderung.