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Der Amazon-Moment (4): Der Informationsraum

verfasst von Martin Groß-Albenhausen

Nirgendwo spüren die klassischen Händler heute schon so massiv die Disruption der klassischen Wertschöpfungskette wie bei der Informationsleistung.

 

Raum

Zeit

Quantität

Qualität

Informations-strom

Übermitteln von Informationen von Ort zu Ort

Informationen organisieren und für die Verbreitung disponieren

Informationen sammeln, Informationsmaterial aufteilen

Informationen zusammenführen, interpretieren, personalisieren (Beratung)

Es gibt heute fast keinen Einkaufsprozess mehr im (Nonfood)-Handel, der nicht digitale Touchpoints „offsite“, also jenseits der eigenen Website des Händlers enthält. Die Information über geeignete Produkte bemisst sich nicht mehr an der im stationären oder online gerade verfügbaren Sortiment, sondern am Universum der passenden Artikel. Für die Hersteller ist der Händler längst nicht mehr notwendig, um über die Existenz eines neuen Handymodells, einer Fashion-Kollektion, einer Tasche, einer Bohrmaschine oder einer Kalkstein-Versiegelung zu informieren.

Allerdings liegt in der Bündelung von solchen Informationen weiterhin ein Leistungsaspekt des Handels: Download von Datenblättern ist hier nur der erste Schritt (den man allerdings häufig noch im Handel vermisst). Aus Kundenperspektive ist es mühsam, die verschiedenen Herstellerseiten aufzusuchen, die Informationen über die Produkte zu sichten und dann zu vergleichen.

Die Wertschöpfung aus der reinen Bündelung im digitalen Raum – also als Download von PDF-Broschüren o.ä. – spiegelt alte Handelsdenke mit digitaler Tünche. Und weil der Handel hier patzt, entstehen neue digitale Intermediäre, die nichts anderes machen, also Informationen zusammenzutragen und mit Verständnis für digitale Customer Experience verbessert zur Verfügung zu stellen. Diese Seiten erzielen eine hohe Relevanz und monetarisieren die reine Informationsmehrwertleistung über Provisionen für Einkäufe, die daraus direkt oder indirekt resultieren. Plattformen wie Amazon und eBay beziehen viel Traffic auf ihre Longtail-Sortimente von solchen Informationsbrokern.

Für Hersteller hat sich damit die Anzahl der Möglichkeiten, aber auch die Konkurrenz an „Lärm“ vervielfacht. Die Bewertung der Relevanz eines bestimmten Touchpoints wird schwierig, weil die Werbewirkung über mehrere Online- und Offline-Kanäle gemessen werden muss. Da im Handel die Kompetenz fehlt, sind die Hersteller oft selbst in der Pflicht, Informationsmittel und Messung an den Point of Sale zu bringen, seien es Beacons, seien es Apps wie POSpulse.

Auch für den Informationsstrom gilt, was ich im ersten Post der Reihe geschrieben habe: Daten, Prozesse und Kontrolle bestimmen die neue Wertschöpfung im Hinblick auf die Information.

  • Daten: Nur der Händler bietet noch Mehrwert, der die heterogenen Informationen der zahlreichen Lieferanten webfähig macht und – wichtig – um unique Produktdaten ergänzt, die digitale Beratung möglich macht.
  • Prozesse: Der Händler muss die Customer Journey modellieren und an den relevanten Touchpoints mit passenden Angeboten (adäquate Informationsaufbereitung, nicht nur Produktangebot) präsent sein.   
  • Kontrolle: Vom Lauf bestimmt, hat der Handel (auch im B2B, z.B. durch sog. Kontrollverteilerzeitschriften) vor allem den TKP als Steuerungsinstrument für die Informationsdistribution gesetzt. Performance Marketing stellt auch hier das Denken auf den Kopf und setzt auf eine Minimierung solcher hauptsächlich irrelevanter Sichtbarkeit. Stattdessen wird filigran getestet, gemessen, optimiert.

Category Management im Digital Commerce stiftet so (und nur so) für die Hersteller einen mehrdimensionalen Wert, der die Regaloptimierung schlägt, aber vom Hersteller allein nicht erbracht und durch Intermediäre ohne Transaktionsraum nicht ersetzt werden kann.

Der fünfte Teil dieser Reihe erscheint in Kürze hier im bevh-Blog.

Der Amazon-Moment (1)

Der Amazon-Moment (2)

Der Amazon-Moment (3)