Generelles Verbot würde Umweltziele und Verbraucherkommunikation erschweren. Aktuelles Rechtsgutachten sieht Kundinnen und Kunden schon jetzt umfassend geschützt.
Vor der Anhörung zu sogenannten „Dark Patterns“ im Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments am 16. März warnt ein vom bevh in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten vor einem unnötigen Verbot aus falsch verstandenem Verbraucherschutz. Bei „Dark Patterns“ handelt es sich um Marketing-Maßnahmen, die bewusst so gestaltet sind, dass sie das Verhalten von Nutzern in gewünschte Bahnen lenken. Gesetze gegen zahlreiche Arten von „Dark Patterns“ sind aber schon heute in Kraft. Neben dem europaweit geltenden Datenschutzrecht, dem Verbot unlauteren Wettbewerbs, umfassenden Informationspflichten für Websitenbetreiber und Vorgaben zur „Bestell-Button“-Gestaltung sowie dem Verbot der Vorauswahl von Bestelloptionen finden sich einfach auszuübende Widerrufsrechte und künftig stark vereinfachte Kündigungsmöglichkeiten, die manipulative Praktiken schon jetzt umfassend verbieten.
Das Gutachten steht auf der Website des bevh zum Download bereit.
Verbraucherschutz ‚online‘ schon jetzt besser als ‚offline‘
„Das Beeinflussen von Kaufentscheidungen, sonst bekannt als Marketing, ist kein spezifisches Online-Phänomen. Im Supermarkt lässt wärmeres Licht das Obst frischer aussehen, Süßigkeiten werden gezielt an der Kasse angeboten, damit quenglige Kinder ihre elterlichen Begleiter zum Kauf nötigen. Auch das sind ‚Dark Patterns‘. Der Unterschied zum stationären Handel: Im E-Commerce gibt es ein 14-tägiges Rückgaberecht. Wer meint, bei der Online-Bestellung getäuscht worden zu sein, kann diesen Fehler problemlos wieder rückgängig machen“, sagt Alien Mulyk, Referentin Public Affairs beim bevh.
Dessen ungeachtet wird im Europäischen Parlament die Position vertreten, dass bestimmte Einflussversuche auf den Nutzer untersagt werden sollen, beispielsweise das Hervorheben eines Einwilligungs-Buttons beim Betreten einer Website, die Cookies verwendet.
„Ein generelles Verbot von ‚Dark Patterns‘, wie im Rahmen des Digital Services Act diskutiert, ist überflüssig. Diese sind bereits in der europäischen Verbraucherschutzgesetzgebung, dem europäischen Datenschutz und dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb untersagt. Es hapert nicht an Regeln, nur an ihrer effektiven und einheitlichen Durchsetzung“, erklärt Eva Behling, Justiziarin des bevh.
Nachhaltigkeitsbemühungen der Onlinehändler nicht behindern
Die Diskussion um „Dark Patterns“ wirft die Frage nach der Abgrenzung zum „Nudging“ auf. Beim „Nudging“ handelt es sich ebenfalls um das Lenken des Nutzerverhaltens, allerdings in dessen eigenem Interesse bzw. im Interesse des Gemeinwohls. Diese Praktiken werden genutzt, um das Konsumverhalten in nachhaltigere Bahnen zu steuern. Allerdings kann die Grenze zwischen „Dark Patterns“ und „Nudging“ fließend sein. Die Diskussion um Verbraucherbeeinflussung muss daher mit Augenmaß geführt werden, damit keine Praktiken verboten werden, die gesellschaftlich nützlich sind.
„Den Kunden sollen auf ihrer Customer Journey möglichst früh nachhaltige Alternativen zu ihren Einkaufsgewohnheiten nahegebracht werden, um etwa ein ausuferndes Retourenverhalten einzudämmen oder den Kauf nachhaltigerer Produkte oder Dienstleistungen zu empfehlen. Das ist ein wichtiger Hebel für den Klimaschutz, weil Nachhaltigkeit im Onlinehandel effektiver funktioniert, wenn Kundinnen und Kunden schon bei der Bestellentscheidung auf ein verantwortungsvolleres Verhalten achten“, so Eva Behling.
Über das Gutachten
Das Rechtsgutachten über die „Rechtlichen Rahmenbedingungen sogenannter Dark Patterns“ erstellt von Prof. Dr. Jürgern Kühling, LLM mit Unterstützung von RA Cornelius Sauerborn, beide an der Universität Regensburg, wurde im Auftrag des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel Deutschland e. V. am 14. Februar 2022 vorgelegt. Es ist per Download auf der Website des bevh beziehbar.