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BGH zum Matratzenkauf im Internet

Wer kennt nicht das ausführliche Probeliegen von Loriots Protagonisten im Matratzengeschäft bei dem kompetenten Fach-Verkäufer Herrn Halmackenreuter ("Ich werde jetzt die Seit-, Rück- und Bauchlage ausprobieren und zwar ohne Ihre Gattin.“)

Eben dieses Probeliegen auf Testexemplaren ist dem Verbraucher bei einem Fernabsatzgeschäft verwehrt; stattdessen wird dem Verbraucher direkt ein in Folie verpacktes, neues Exemplar zugeschickt.

Mit der Frage, wie es sich bei solchen Produkten mit dem Widerrufsrecht verhält, hatte sich heute der BGH, im Nachgang an das Vorlageverfahren beim EuGH, zu beschäftigen. Konkret ging es um die Frage, ob das Widerrufsrecht bei einer eingeschweißten Matratze gemäß § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB ausgeschlossen werden kann. Diese Norm sieht vor, dass das Widerrufsrecht ausgeschlossen werden kann, wenn der Verbraucher bei einer versiegelten Ware, die aus hygienischen Gründen nicht zur Rückgabe geeignet ist, das Siegel entfernt.

Allgemein ist bei der Frage, ob es sich bei einem Produkt um ein Hygieneprodukt handelt, darauf abzustellen, ob es zumutbar ist, das Produkt durch Reinigung und Desinfektion wieder so aufzubereiten, dass das Produkt zum vollen Verkaufspreis als neuwertige Ware angeboten werden kann.

Bereits mehrere Gerichte haben die Möglichkeit der Wiederaufbereitung bei Matratzen bejaht und damit ein Widerrufsrecht als zulässig angesehen (LG Berlin mit Urt. v. 3.8.2016, Az.: 15 O 54/16 und nun gegenständlich LG Mainz Urt. V. 10.08.2016, Az.: 3 S 191/15). Weiterhin wurde bereits mehrfach entschieden, dass der Verbraucher für die Zeit der Nutzung der Matratze keinen Wertersatz zu leisten habe, da das Ausprobieren der Matratze notwendig gewesen sei um die Eigenschaften, Funktionsfähigkeit und Beschaffenheit der Ware zu prüfen (AG Köln mit U. v. 4.4.2012, 119 C 462/11; AG Bremen mit Urt. v. 15.4.2016, 7 C 273/15).

Da der BGH zunächst Zweifel an dieser Ansicht hegte, legte er diese Frage dem EuGH vor. Die Sicht des EuGH (Urt.v. 27.03.2019, Az. C-681/17) war ganz auf der Linie dieser Rechtsprechung deutscher Tatsachengerichte. Denn auch der Europäische Gerichtshof sagte, dass Waren, die zwar bei bestimmungsgemäßem Gebrauch direkt mit dem menschlichen Körper in Kontakt kommen können, aber durch geeignete (Reinigungs-)Maßnahmen des Unternehmers wieder verkehrsfähig gemacht werden können, keine Hygieneprodukte sind. Dies hat zur Folge, dass Matratzen also nicht vom Widerrufsrecht ausgeschlossen werden können und Verbraucher Matratzen zurücksenden dürfen.

Der BGH führt in seinem heute gefällten Urteil dazu aus:

„Eine Matratze kann im Hinblick auf das Widerrufsrecht mit einem Kleidungsstück gleichgesetzt werden, das ebenfalls mit dem menschlichen Körper direkt in Kontakt kommen kann. Es ist davon auszugehen, dass Unternehmer bezüglich beider Waren in der Lage sind, diese nach Rücksendung mittels einer Behandlung wie einer Reinigung oder einer Desinfektion für eine Wiederverwendung durch einen Dritten und damit für ein erneutes Inverkehrbringen geeignet zu machen.“

Zwar haben bereits vorher viele Onlinehändler aufgrund dieser Rechtsunsicherheit und aus Kulanz ihren Kunden ein freiwilliges Rückgaberecht eingeräumt. Im Nachgang an dieses Urteil ist es jedoch nicht unwahrscheinlich, dass die Anbieter- und darüber auch Angebotsvielfalt im Matratzensegment im Fernabsatz abnehmen wird. Eine zu restriktive und damit händlerfeindliche Auslegung fernabsatzrechtlicher Normen hat in der Vergangenheit bereits nicht nur einmal dazu geführt, dass Online- und Versandhändlern der Spaß schlicht vergangen ist.