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B2B-Plattformen: Digitalisierung jenseits von Ware und Service

Der B2B-Ausblick, verfasst von Martin Groß-Albenhausen

Weitgehend abseits der öffentlichen Diskussion um E-Commerce, Innenstadt, Rx-Versandhandel und sogar AmazonBusiness entstehen und vergehen in rascher Folge neue B2B-Plattformen und -Angebote. Der von Herstellern entwickelte Marktplatz Procato schließt bereits wieder die Tore. Dafür eröffnen neue, wie das Würth-Angebot Wucato. Für diejenigen, die hier auf dem Laufenden bleiben wollen, empfiehlt sich die Lektüre von Lennart Pauls Weblog warenausgang.com und die Artikel auf b2bseller.de.

Mir fällt auf, dass viele dieser Modelle sich innovativ geben, aber logisch im Jahr 2006 stehen geblieben sind – als sich die im Versandhandel bekannte Regel des „viel hilft viel“ in Suchmaschinen-Algorithmen wiederspiegelte und eBay und Amazon-Marketplace ihren Siegeszug antraten. Ein breites und tiefes Angebot, auch in der Nische, und dann eine Optimierung der Produktdaten, das reicht. Nicht.

Nicht mehr. Oder im B2B noch nie. Das ist oft genug erläutert worden. Inzwischen ist auch eine Binse, dass Beschaffer andere Lösungserwartungen haben als Konsumenten – und damit andere Vorgaben für Navigation, Produktdaten, Pricing, Lieferleistung. Darauf setzen derzeit die vielfältigen neuen Onlineanbieter etwa im Stahlhandel. Und ganz neu kommen Vermietplattformen dazu. Ob für Hebebühnen oder Gastronomiezelte: Warengebundene Dienstleistungen für kurzfristigen oder planbaren, aber nicht wiederkehrenden Bedarf, schnell über lokale Anbieter distributiert.

Klar ist, dass hier jede Branche eigene Logiken hat, so dass immer wieder Platz für Spezialisten in einem Sortiment ist – oder Generalisten in einem Beschaffungsweg. Mercateo etwa geht diesen Weg, in dem nicht jede Speziallogik auf der eigenen Plattform repliziert wird, sondern lediglich über Schnittstellen die Auftragsdaten aus den Shops der angeschlossenen Marktplatz-Teilnehmer in den Warenkorb des B2B-Bestellers übernommen werden. Ein Modell, das aufgrund der Spezifika der B2B-Beschaffung (mit proprietären Katalogen und Berechtigungen sowie unterschiedlichsten Ausgabeformaten für diverse Beschaffungssysteme) für eine bestimmte Kundenstruktur noch besser passt als das vor Weihnachten von Amazon vorgestellte Business-Angebot. Und 2017 gänzlich unabhängig von den großen Suchmaschinen funktioniert.

Wenn man mich aber heute fragt, ob damit der Weg für den B2B-Handel im Internet beschrieben ist, würde ich verneinen. Mir fällt auf, dass die B2B-Plattformen zum größten Teil ihr Geschäftsmodell aus der direkten oder indirekten Warentransaktion ziehen, und auch die Services sich an der Warenhandelsfunktion orientieren. Problematisch ist dies, weil die Zergliederung der Waren- und Dienstleistungsbündel im Handel durch die Digitalisierung zwangsläufig in eine Minderung jeder Teilmarge münden.

Die viel wichtigere Frage ist meines Erachtens, ob die Unternehmen ein Handelsgeschäftsmodell digitalisieren, oder ein digitales Geschäftsmodell haben, das sich auch, aber nicht nur aus dem Warengeschäft speist.

  • Geschäftsmodelle rund um Daten: Weil sich die Verfügung über Daten von der Verfügung über Ware trennen lässt, kann man Daten separat handeln. Ein Beispiel ist die TecAlliance, die sich von einem Datenbank-Anbieter zu einem umfassenden Händler und Dienstleister rund um digitale Prozesse im Automotive Aftermarket entwickelt hat. Ein anderes die Firma RIB Software, die im Baustoffsektor digitale Supply Chain-Modelle für das kommende Building Information Modeling entwickelt – inklusive Marktplatz für Baustoffe. 
  • Geschäftsmodelle rund um Kunden: Eines meiner Lieblingsbeispiele ist hier immer wieder der Kanzlei-Ausstatter Soldan. Auch wenn am Anfang der Kanzleibedarf stand, von der Robe bis zum Reißwolf, bietet kaum ein Unternehmen eine solche Fülle an digitalen Services, die mit dem ursprünglichen Produktspektrum nichts mehr zu tun haben – vom Kanzleimarketing über sicheren Cloud-Speicher, Dokumentenmanagement, digitalen Rechtsverkehr bis zum „Kanzleikonto“. 
  • Geschäftsmodelle rund um Transaktionen: Der Mittelstand ist zurecht stolz darauf, ein wichtiger Kreditgeber der deutschen Wirtschaft zu sein. Verbundgruppen als B2B-Akteure finanzieren sich nicht zuletzt aus den Leistungen im Rahmen der Zentralregulierung. Das öffnet ein Tor in Richtung Fintech als ein mögliches neues handelsnahes digitales Geschäftsmodell. 

Amazon und Zalando haben jeweils eigene Wege gefunden, Erlöse aus dem Warengeschäft und Erlöse aus digitalen Geschäftsmodellen zu generieren. Ihre Plattformen sind zudem offen für digitale Geschäftmodelle Dritter und können dadurch eine zusätzliche Digitalisierungsdividende einfahren.

Sicher ist, dass auch andere ein Auge auf solche digitalen Geschäftsmodelle geworfen haben. Das sind beispielsweise Verlage, die Informations- in Transaktionsplattformen aufbohren. Oder Versicherungen, die aus dem Interesse an der Auftragsabsicherung digitale Plattformen im Handwerk entwickeln könnten. Oder Payment-Dienstleister, die ihre Aktivitäten nicht nur horizontal auf der Kundenseite, sondern auch im „Nominalgüterstrom“ aufwärts in Richtung Hersteller entwickeln könnten.