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Alle (vier) Jahre wieder – Start der bevh-Wahlprogrammanalyse Teil 1: Das „Regierungsprogramm“ der SPD

gesichtet von Sebastian Schulz

Keine drei Monate mehr: Am 24. September geht’s ab an die Urne. Insgesamt 63 Parteien und solche, die es (wohl niemals?) werden wollen, haben beim Bundeswahlleiter ihren Wunsch zur Beteiligung an den diesjährigen Wahlen zum 19. Deutschen Bundestag angemeldet; fünf mehr als in 2013. Ob Organisationen wie „Die PlanetBlauen“, die „1. Union der Menschlichkeit“ oder das (sic!) „Ökoanarchistisch-realdadaistisches Sammelbecken“ (Kurzbezeichnung: B*) als politische Parteien im Sinne des Parteiengesetzes anzuerkennen sind und sich damit auch tatsächlich zur Wahl stellen dürfen, entscheidet noch in dieser Woche der Bundeswahlausschuss. Am Ende bleiben wohl um die 20 Wettbewerber über.

Doch wen wählen? Und vor allem; nach welchen Kriterien? Um euch die zuweilen etwas ermüdende Lektüre dickleibiger Wahlprogramme zu ersparen, gebe ich in den nächsten Wochen hier im bevh-blog einen kompakten Überblick über die Programme von CDU/CSU, SPD, Grünen, Linken und der FDP. Fokussieren werde ich mich dabei auf die für unsere Branche unmittelbar oder potentiell relevanten Themen. Soweit ich das ertrage, halte ich mich mit Bewertungen zurück.

Den Auftakt macht heute das optimistisch als „Regierungsprogramm 2017 bis 2021“ bezeichnete Wahlprogramm der Sozialdemokraten

Den Schwerpunkt des Programms bildet erwartungsgemäß der Themenkomplex Arbeit. „Unbefristete Arbeit – sozial abgesichert und nach Tarif bezahlt“ ist das erklärte Ziel sozialdemokratischer Politik (S. 11).

Einzelheiten: 

  • Einführung einer angemessenen Mindestausbildungsvergütung; Vorrang für tarifvertragliche Lösungen, „insbesondere Allgemeinverbindlichkeitserklärungen, wodurch tariflich geregelte Ausbildungsvergütungen für alle gelten“, S. 12 (Anm.: von einer AVE für den Handel ist nicht die Rede)
  • Abschaffung sachgrundloser Befristung, S. 15
  • gleiche Vergütung von Leiharbeit und Stammbelegschaft „vom ersten Tag an“, S. 15
  • keine Koppelung von Leiharbeitsverhältnis und spezifischem Arbeitsplatz, S. 15
  • Eindämmung des „Arbeiten auf Abruf“ und Abbau der geringfügigen Beschäftigung, S. 15
  • Verbandsklagerecht für Gewerkschaften, S. 15
  • „Recht auf Nicht-Erreichbarkeit“ und Schaffung eines Wahlarbeitszeitgesetzes mit Vorgaben u.a. zur mobilen Arbeit, S. 16
  • Rückkehrrecht nach freiwilliger Teilzeit zurück zur früheren Arbeitszeit, S. 16
  • Absenkung des Schwellenwertes der paritätischen Mitbestimmung auf 1.000 Mitarbeiter, S. 16 (Anm.: liegt aktuell bei 2.000)

Aussagen zum Thema Handelim Allgemeinen und E-Commerce im Besonderen sucht man im Regierungsprogramm der SPD mit der Lupe. So passt es auch ins Bild, dass die nachfolgenden dünnen Ausführungen unter der Überschrift „Handwerk, Mittelstand und industrielle Basis“ verortet (versteckt?) wurden (S. 23):

„Die Digitalisierung verändert auch in besonderem Maße den Einzelhandel. Wir wollen die Ergebnisse aus der Dialogplattform Einzelhandel auswerten, um Strategien für lebendige Innenstädte und für die Nahversorgung im ländlichen Raum zu erarbeiten. Wir wollen an Modellstandorten die Strategien gemeinsam mit Akteuren vor Ort erproben und durch die Ergebnisse einen Roll-Out für andere Kommunen ermöglichen.

Es gilt, die Chancen der Digitalisierung für den Handel und die Verbraucherinnen und Verbraucher konsequent zu nutzen.“

Immerhin; nicht die Risiken, die Chancen der Digitalisierung für den Handel stehen für die SPD im Vordergrund. Das Rekurrieren auf die Ergebnisse der durch das SPD-geführte Bundeswirtschaftsministerium initiierten Dialogplattform Einzelhandel ist an dieser Stelle parteipolitisch nachvollziehbar. Und tatsächlich lesen sich die Ergebnisse der Dialogplattform in weiten Teilen nicht schlecht. Dem positiven Gesamtergebnis der Plattform sollte auch ihre überaus holprige Abschlussveranstaltung keinen Abbruch tun.

Im Bereich Daten- und Verbraucherschutz greift die SPD aktuelle Buzzwords auf. Beispiele:

  • Personal Pricing; gegen „unfaire individuelle Preisbildung als Folge der Profilbildung aus Nutzerdaten“ sollen wirksame Regelungen getroffen werden, S. 27
  • Pflicht zur nachvollziehbaren und vergleichbaren Kennzeichnung von Geräten bezüglich ihrer Lebensdauer; Verbesserung der Reparatur- und Updatefähigkeit von Produkten, S. 27
  • Grundsatz der Einwilligung, wenn personenbezogene Daten über sie erhoben, genutzt oder verwendet werden, S. 29 (Anm.: hier dürfte ein Konflikt mit den Vorgaben der EU-Datenschutzgrundverordnung entstehen)
  • Ausbau der Musterfeststellungsklage, S. 26
  • Einführung eines Algorithmen-TÜV, S. 56

Bei der digitalen Infrastruktur setzt die SPD auf Investitionen in Glasfaserverbindungen (S. 21) und den Ausbau von 5G (S. 28). Und mit dem Vorsatz, den „rechtmäßigen Steuereinzug auch bei Geschäften über Plattformen im Internet“ sicherstellen zu wollen (S. 41), wird wohl die Beseitigung von existierenden oder angenommenen Vollzugsdefiziten im Vordergrund stehen.

Soweit das aus meiner Sicht für unsere Branche Wichtigste aus dem Programm der SPD. Nächste Woche geht’s weiter mit dem Wahlprogramm der Liberalen.