Ein Gastbeitrag von Thilo Gösch, Locafox
Während der Online-Handel immer mehr Marktanteile für sich erschließen kann, scheint das lokale Einzelhändlersterben in deutschen Innenstädten unaufhörlich voranzuschreiten. Um dem entgegenzuwirken, arbeiten immer mehr Unternehmen an zukunftsträchtigen Multi-Channel-Lösungen, um Online- und Offline-Welt miteinander zu kombinieren. Experten sind sich einig: Die Verknüpfung zwischen stationären und Online-Angeboten wird im Handel der Zukunft eine zentrale Rolle einnehmen.
Sonntagabends auf dem Sofa liegen, mit dem Laptop oder Tablet im Internet surfen und nach einer neuen Jeans, einem neuen Fernseher oder einem schicken Möbelstück für die eigenen vier Wände suchen – Shopping kann so gemütlich sein. Online-Shopping und die Produktsuche im Netz gehören für viele deutsche Konsumenten heute zum Alltag. 2013 wurden in Deutschland laut Zahlen des bevh knapp 40 Milliarden Euro im E-Commerce erwirtschaftet; das entspricht einem Plus von 44,2 Prozent gegenüber 2012. Die Produktsuche findet dabei häufig als erstes bei den gängigen Internet-Suchmaschinen statt. Aus der Sicht von Shopbetreibern gilt es deshalb, vom Radar der Kunden erfasst zu werden. Viel Geld wird in die Hand genommen, um SEO- und SEA-Maßnahmen zu zünden, Social-Media-Kanäle zu betreiben und Marketing-Aktivitäten voranzutreiben. Logischerweise alles für ein Ziel: um aus einem Besucher am Ende einen Kunden zu machen. Doch häufig verlassen viele Besucher die Online-Shops ohne einen Kaufabschluss. Die Gründe dafür sind vielseitig: weil das gewünschte Produkt nicht gefunden wurde, es nicht in der richtigen Größe oder zum gewünschten Preis verfügbar war, das Bestellen zu umständlich erschien, die Lieferzeit zu lange dauerte oder einfach, weil der User das Shoppingerlebnis vermisst hat. Viele Konsumenten möchten ein Produkt vor dem Kauf zudem noch einmal anprobieren oder austesten und spezielle Fragen dazu beantwortet haben. Kundenbedürfnisse, die Internetshops in der Regel (noch) nicht befriedigen können. „Es ist für die Einzelhändler mehr denn je erfolgsentscheidend, den Konsumenten attraktive Einkaufserlebnisse und guten Service zu bieten“, sagt Simone Baecker-Neuchl, Marktdaten-Expertin bei der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK).
Der ROPO-Effekt
Rund 40 Prozent der deutschen Konsumenten suchen deshalb laut einer GfK-Studie online nach Produkten, die sie später offline im Geschäft kaufen. Diesen Vorgang bezeichnet man auch als ROPO: Research Online, Purchase Offline. Sogenannte ROPO-Kunden möchten ihren Bedarf an Informationen zu Produkt, Verfügbarkeit und Öffnungszeiten eines Geschäfts im Netz gedeckt bekommen. Das bestätigt auch eine Google-Studie aus dem Mai 2014: Vier von fünf Verbrauchern nutzen Suchmaschinen, um lokale Informationen zu finden. Ist die Kaufentscheidung erst getroffen, möchten ROPO-Kunden die Produkte so schnell wie möglich in den Händen halten – und nicht darauf warten, bis das Produkt Tage später geliefert wird. Online-Player wie Amazon und Co. sind aufgrund ihres Geschäftsmodells häufig nicht in der Lage, diese Art von Konsumenten zu einem Kauf zu animieren: Die User springen nach der Informationsbeschaffung nicht selten wieder ab und gehen in ein Geschäft in ihrer Umgebung, um dort einzukaufen.
Stationärer Handel im Wandel
Um nicht nur die ROPO-Kunden da abzufangen, wo sie nach Produkten suchen, nämlich online, ist es heute jedoch unverzichtbar, im Web präsent zu sein. Deshalb befindet sich der stationäre Handel derzeit im Umbruch: Neue Ideen und Konzepte sollen dazu beitragen, das klassische Ladenangebot zu digitalisieren (Local Commerce) und für den online-affinen Kunden im Netz attraktiv(er) zu gestalten. „Zunehmend gibt es Start-ups, die Technologien für den standortgebundenen Handel entwickeln und bereitstellen“, erklärt Handelsexperte und Unternehmensberater Wolfgang Lux. „Local Commerce ist dabei eine Riesenchance für den stationären Handel!“ Der Online-Boom biete insgesamt betrachtet auch dem Stationärhandel Chancen, bestätigt Simone Baecker-Neuchl (GfK). Besonders kleinere Händler stünden jedoch vor großen Herausforderungen. Denn ihnen fehlt oft das Geld, die Zeit und das Know-how, sich im Internet so zu präsentieren und positionieren, dass sie mit den großen Online-Händlern, wie z. B. Amazon, mithalten können.
Im Internet finden, im Geschäft kaufen
Genau an dieser Stelle greifen Local-Commerce-Portale wie Locafox den stationären Händlern unter die Arme: Das Start-up aus Berlin hat sich zum Ziel gesetzt, mehr Laufkundschaft zurück in den stationären Handel zu bringen und einen Marktplatz entwickelt, der die Online- und Offlinewelt miteinander vereint: Konsumenten finden auf Locafox Produkte, die sie anschließend bei einem Händler um die Ecke kaufen können. Die Plattform möchte den Konsumenten die Daten zum Produktsortiment der stationären Händler, wie Verfügbarkeit und Preise, in Echtzeit anbieten. Das ermöglicht Usern, sich über ein gesuchtes Produkt zu informieren, es in einem Geschäft in der Nähe zu finden und über die Seite von Locafox zu reservieren. Gekauft wird vor Ort im Laden. Dort kann das Produkt, wie gewohnt, auch vor dem Kauf noch einmal begutachtet werden. Durch die Bündelung von Sortiment und Produktdaten resultiert eine höhere Kundenrelevanz und lokale Optimierung für stationäre Händler. Verbraucher, die sonst anderweitig gekauft hätten, werden durch einen Marktplatz wie Locafox in den Laden geführt. Hier unterstützt die Reservierungsfunktion, die nicht nur auf Kundenseite einen Mehrwert darstellt:Konsumenten, die ein Produkt reservieren, holen es in der Regel auch ab.
Locafox wurde im Juni 2013 von Karl Josef Seilern, Michael Wendt, Lukas Zels, Rob Morgan und Fabian Friede gegründet und wird finanziell von Holtzbrinck Ventures unterstützt. „Unsere Vision ist es, einen Service zu entwickeln, den jeder Verbraucher nutzen kann, um alles zu finden, was er kaufen möchte“, beschreibt CEO Karl Josef Seilern die Idee. Usern steht Locafox kostenlos und ohne Registrierung frei zur Verfügung, und auch für Einzelhändler ist die Einbindung auf den Marktplatz derzeit mit keinerlei Kosten verbunden; abgerechnet wird auf Kommissionsbasis. Als Minimalanforderung wird nur ein Datenexport benötigt, in dem die Bestände der Waren tagesaktuell erfasst sind. Locafox unterstützt lokale, inhabergeführte Geschäfte genauso wie landesweite Einzelhandelsketten. Kunde und Händler profitieren so von einem gesunden Branchenmix. Das Marketing für die Produktkategorien, darunter fallen auch die Suchmaschinenoptimierung (SEO) und das Suchmaschinenmarketing (SEM) sowie Offline-Kampagnen, übernimmt komplett Locafox. Das ist entscheidend, denn das schafft die nötige Aufmerksamkeit bei den Verbrauchern.
Multi-Channel: Nicht nur einseitig denken
So wichtig wie der Online-Handel heute schon ist – den lokalen Handel wird es auch in Zukunft noch geben, sind sich Experten einig. „Wir werden auch im E-Commerce irgendwann eine Sättigung erreichen, das ist ja jetzt schon absehbar. Es wird jedoch auch branchen- und sortimentsabhängig sein, wie hoch der Online-Anteil am Gesamteinzelhandelsumsatz letztlich ausfällt“, prognostiziert Unternehmensberater Wolfgang Lux, ehemaliger Top-Manager bei der MetroGruppe. „Da hilft es nur, konsequent auf Multi-Channel zu setzen.“ Denn geshoppt wird nicht nur ausschließlich im Internet oder offline im stationären Handel – beide Varianten werden vom Kunden abwechselnd und je nach Bedarf genutzt. Mal wird im lokalen Geschäft gekauft und mal im Internet. Mobile internetfähige Geräte wie Laptop, Tablet oder Smartphone verstärken das: „Das Smartphone entwickelt sich zu unserem permanenten Begleiter rund um die Uhr – das bietet gerade auch dem stationären Handel große Möglichkeiten für die Kundenansprache", wird IFH-Geschäftsführer Dr. Kai Hudetz im Interview mit Location Insider zitiert. Genau diese Verknüpfung zwischen stationären und Online-Angeboten werde im Handel der Zukunft eine zentrale Rolle spielen, so Hudetz.
Multi-Channel bedeutet nicht zusätzlich einen eigenen Webshop
Jedoch wird die Möglichkeit von Multi-Channel häufig falsch verstanden: Aus Sicht eines Stationärhändlers muss Multi-Channel nicht bedeuten, einen eigenen Webshop aufzubauen, um dort parallel zum Geschäft zu verkaufen. Multi-Channel ist vielmehr die Verknüpfung von Internet und Stationärgeschäft. Und genau machen Local-Commerce-Marktplätze wie Locafox. So kann das Web als Marketing-Kanal genutzt werden, um auf sich aufmerksam zu machen und Konsumenten so ins Ladengeschäft zu holen – quasi als verlängerter Arm. Dabei werden nicht nur ROPO-Kunden angesprochen, sondern auch typische Online-Käufer, die durch die Nähe zum Geschäft und die direkte Warenverfügbarkeit vom Internet ab- und direkt zu sich ins Geschäft gezogen werden können. „Der Fehler in Deutschland ist, dass immer wieder auf die Performance eines einzelnen Kanals geschaut wird, und wenn er nicht profitabel ist, wird er wieder gekillt. `Damit lässt sich kein Geld verdienen’, ist oft zu hören”, sagt Wolfgang Lux. „Es gibt derzeit jedoch keinen deutschen stationären Händler einer nennenswerten Größe, der mit dem Internet, isoliert als Kanal, Geld verdient. Man muss das aber in Kombination sehen und sich die Frage stellen, was mit dem klassischen Kanal passiert, wenn man nicht auf Multi-Channel setzt”, so Lux weiter. So oder so: Es ist Zeit zu handeln – bevor dem Handel die Hände gebunden sind.