verfasst von Sebastian Schulz
Der Wahlk(r)ampf neigt sich seinem Ende zu. Bezogen auf die für die deutsche E-Commerce-Branche relevanten Themen hat unsere Sichtung der relevanten Wahlprogramme ein recht eindeutiges Bild ergeben. Während bei den einen der Themenkomplex Digitalisierung einen hohen Stellenwert genießt und hier v.a. die Chancen herausgearbeitet werden, zeichnen sich andere (weiterhin) als Bedenkenträger aus. Einzelaspekte der Digitalisierung im Handelsumfeld, aber auch andere Themen, die die Online- und Versandhandelsbranche bewegen, blieben in den Wahlprogrammen wiederum vollständig unberücksichtigt.
Wir haben deshalb noch einmal nachgefragt. Unsere Wahlprüfsteine wurden mittlerweile von allen angeschriebenen Parteien beantwortet. Hier nun die Antworten im Original und unkommentiert:
Frage 5: Für welche konkreten legislativen Maßnahmen wird sich Ihre Partei einsetzen, um gegen den zunehmenden Missbrauch wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen von Onlineshops durch professionelle Abmahnvereine und auf Abmahnungen spezialisierte Anwälte vorzugehen?
Antwort CDU:
Ein Grundgedanke des deutschen Wettbewerbsrechts ist, dass die Marktteilnehmer selbst über den fairen Wettbewerb wachen und wettbewerbswidrige Praktiken im Geschäftsverkehr selbst rügen können. Bei Verstößen gegen wettbewerbsrechtliche Regelungen – wie sie z. B. das „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“ (UWG) oder bei Internetdienstleistungen auch das „Teledienstegesetz“ vorgeben – besteht die Möglichkeit einer Abmahnung an die verstoßenden Wettbewerber. Dabei wird der Wettbewerber zu einer Unterlassungserklärung aufgefordert, wo ihm zudem die für dieses Tätigwerden entstandenen Kosten in Rechnung gestellt werden können. Dies ist rechtlich möglich, da der – unaufgeforderte – Hinweis auf einen Verstoß gegen Wettbewerbsregeln vom Rechtsgedanken her gesehen zivilrechtlich einen Fall der „Geschäftsführung ohne Auftrag“ darstellt, und nach diesem Rechtsinstitut für ein Tätigwerden im Interesse eines Dritten Aufwendungsersatz verlangt werden kann. Eine solche Abmahnung stellt also eine – mildere – Vorstufe zu einer Unterlassungsklage dar, die auch jeder Wettbewerber gegen einen unlauteren Mitbewerber erheben kann. Was die Höhe des als eigentlich störend empfundenen Aufwendungsersatzes für die Abmahnung anbelangt, so hat der Deutsche Bundestag mit der am 1. September 2008 in Kraft getretenen Änderung des Urheberrechtsgesetzes in § 97a festgeschrieben, dass bei der Abmahnung einfacher Rechtsverstöße eine Grenze von EURO 100 nicht überschritten werden darf. CDU und CSU wollen die Verbraucher jedoch noch besser vor ungerechtfertigten Abmahnungen durch schwarze Schafe schützen. Im Rahmen der Evaluation des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken wollen wir deshalb insbesondere die Wirksamkeit der Streitwertdeckelung bei Abmahnungen gegen Verbraucher auf Grund von urheberrechtlichen Verstößen im Internet prüfen.
Antwort SPD:
Auch Betreiber von Onlineshops nehmen als Unternehmer am Markt und damit am Wirtschaftswettbewerb teil. Es liegt im Interesse des Verbraucherschutzes und auch der Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs, dass hierbei die bestehenden Regelungen – z.B. zur Ausgestaltung von Online-Auftritten – eingehalten werden. Fachkundige Beratung über die zu beachtenden rechtlichen Vorgaben können Gewerbetreibende bei den Industrie- und Handelskammern, Branchenverbänden oder bei spezialisierten Rechtsanwälten erhalten. Diese helfen weiter und beraten Gewerbetreibende zu bestehenden Informationspflichten im Onlinehandel.
Wir wollen nicht, dass kleinere Online-Händler durch Missbrauch wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen in existenzielle Schwierigkeiten geraten. Daher war und bleibt es Anliegen der SPD, missbräuchlichen wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen einen Riegel vorzuschieben. Insofern begrüßen wir, dass Abmahnungen im Online-Handel rückläufig sind. Der Anteil rechtsmissbräuchlicher Abmahnungen ist ebenfalls gesunken. Aufgabe der Politik ist es, diese Entwicklung für die Zukunft zu festigen. Dafür setzen wir uns ein.
Antwort FDP:
Abmahnungen sind grundsätzlich ein sinnvolles Instrument der Rechtsordnung, um Kosten für alle Beteiligten zu begrenzen und die Gerichte zu entlasten. In der Vergangenheit kam es aber gehäuft zu missbräuchlichen Abmahnwellen gegen Internetnutzer und viele Kleingewerbetreibende. Schon auf Grund geringer Verstöße kommt es zu Abmahnungen, die erhebliche finanzielle Belastungen nach sich ziehen, woraus einige „Schwarze Schafe“ ein regelrechtes Geschäftsmodell entwickelt haben. Wir wollen, dass die Bemessung des Streitwerts anhand der wirtschaftlichen Lage des Abgemahnten berechnet wird und somit auch die Anwaltskosten gedeckelt werden. Auf europäischer Ebene werden wir uns für konsistente Richtlinien und Verordnungen einsetzen, um für mehr Rechtsklarheit zu sogen.
Antwort Bündnis90/Die Grünen:
Abmahnungen können Unterlassungsansprüche effektiv und ohne teure, langwierige Gerichtsverfahren lösen. Dieses Ziel wird jedoch durch massenhafte Abmahnungen konterkariert. Wir fordern, finanzielle Anreize für missbräuchliche Abmahnungen zu verringern, indem konkretere Streitwertregelungen getroffen und fliegende Gerichtsstände abgeschafft werden.
Antwort Die Linke:
Die Richtlinien und Vorschriften, die beim Onlinehandel beachtet werden müssen, um nicht einem der mehrere hundert Abmahngründen zu unterliegen, sind inzwischen so zahlreich und komplex, dass insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen und Gewerbetreibende sie nicht oder nicht vollends durchschauen können. DIE LINKE will deshalb in einem ersten Schritt zunächst die dringend überfällige Systematisierung der Problemfelder und einer Durchsicht aller Formvorschriften fördern, um in einem zweiten Schritt durch geeignete gesetzgeberische Eingriff e die Rechtsfehleranfälligkeit in der Geschäftstätigkeit im Internet abbauen und beseitigen zu können.
Missbräuchlichen Nutzungen des Instruments der Abmahnungen, etwa in Form der Behinderung von Wettbewerbern oder zur Erzielung von Einnahmen über anwaltliche Gebührenforderungen, könnte allerdings bereits heute schon rasch durch eine Streitwertbegrenzung zur klaren Deckelung der Abmahnkosten begegnet werden. Das würde der Attraktivität von Massenabmahnungen und von Abmahnungen aus rein materiellen Gründen unmittelbar entgegenwirken, da in Folge der materielle Anreiz für professionelle Abmahnvereine und auf Abmahnungen spezialisierte Anwälte entfiele. Im Falle des Abmahnunwesens bei Urheberrechtverletzungen haben wir diesen Vorschlag schon vor Jahren als Gesetzentwurf im Bundestag eingebracht (BT-Drs. 17/6483), der entsprechend modifiziert werden kann. Wir wollen im Falle des Missbrauchs wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen von Onlineshops hier weiter gehen. Ferner wollen wir der Praxis des sogenannten fliegenden Gerichtsstands entgegentreten, indem eine Beschränkung der Wahl des Gerichtsstands der Abmahnanwälte erfolgt. Denkbar ist beispielsweise eine Beschränkung des Gerichtsstands auf Wohnort oder Sitz des Abgemahnten. Sicherstellen wollen wir auch, dass zu Unrecht Abgemahnte, die für ihre Rechtsverteidigung nötigen Aufwendungen vollständig ersetzt bekommen, damit von vornherein unberechtigte und sinnlose Abmahnversuche mit einem sehr viel höheren Kostenrisiko belegt werden.